Das Schiff aus Stein
Dann löschte er die Lampe, und die drei Männer stiegen über die Felsen zum Fluss hinab.
Doch ihre Flucht war noch lange nicht zu Ende.
Als die Flut wieder wechselte, befanden sich die Lehrlinge am Hafen von Ostia. Die Sonne ging eben über dem Land auf und strahlte das Meer an. Amilcar und sein Onkel standen auf dem Schiff des Onkels, das gerade ablegen wollte. Auch Hanno war an Bord. Doch die Situation war alles andere als friedlich.
Auf der Hafenmauer stand ein Trupp Soldaten mit bronzenen Brustpanzern und Helmen, die nur das Kinn und die Augen frei ließen. Ihr Anführer brüllte etwas zu dem ablegenden Schiff hinauf.
»Was ist da los?«, rief Filine erschrocken.
»Das sind etruskische Soldaten«, sagte Bent. »Die Bronzerüstung ist typisch und der Helm auch! Das müssen Soldaten aus Veji sein. Die Flucht ist entdeckt worden!«
Bent hatte vollkommen recht. Doch der Kapitän des Schiffes ließ sich nicht beeindrucken. Er steuerte das Schiff aus dem Hafen, ohne dass die Soldaten ihn aufhalten konnten.
Doch diese stürmten sofort zu einem Kriegsschiff, das ebenfalls im Hafen lag.
»Sie wollen Amilcar verfolgen!«, schrie No. »Wir müssen sofort an Bord seines Schiffes, sonst verlieren wir die Flut!«
»Aber das Schiff ist schon zu weit weg.«
»Wohin geht denn die Flut? Was ist die richtige Spur?« Rufus ballte die Fäuste. »Das Glas!«, schrie er dann. »Es geht um das Glas, das Amilcar seinem Onkel geschickt hat.«
Doch die Flut veränderte sich nicht.
»Das kann eigentlich auch nicht sein«, meinte Filine. »Schließlich haben wir es schon gesehen, aber nicht seine Geburtsstunde. Und die liegt in der Flut sowieso schon hinter uns. Also, ich denke, dass es nicht um dieses Artefakt geht.«
Rufus nickte verwirrt. »Aber es passt alles«, sagte er. »Das blaue Glas, das gelb schimmert.«
»Trotzdem«, sagte No. »Filine hat recht. Es muss mit einem anderen Artefakt zu tun haben.«
»Und wie kommen wir jetzt auf das Schiff?« Anselm deutete auf die Hafenausfahrt, die die Phönizier bereits hinter sich gelassen hatten.
»Ich weiß es nicht!« Hilflos sah Rufus aufs Meer.
In diesem Moment zeigte sich am Himmel ein dunkler Fleck.
»Die Flut löst sich auf!«, brüllte No.
So war es und wenige Augenblicke später standen die Lehrlinge in der Küche von Meister Otomos Haus.
»Und?« Anselm funkelte Rufus an. »Hast du jetzt eine Idee?«
»Nein, aber die wird mir schon noch kommen.«
»Ach ja?« Anselm sah Rufus herausfordernd an. »Vielleicht hättest du Coralia doch nicht so anmachen sollen! Sie hätte bestimmt gewusst, was jetzt zu tun ist!«
»Halt doch mal die Luft an!«, stieß Rufus hervor. »Also, es geht ganz sicher um ein Glas, denn mein Fragment ist eine blaue Glasscherbe, die gelblich schimmern kann. Und genauso sah das Glas aus, das Amilcar seinem Onkel geschickt hat. Aber es ist wahrscheinlich nicht dieses Glas, sondern ein anderes Glasstück oder Glasgefäß.«
Nichts passierte, und No blickte Rufus unsicher an. »Aber, wo soll das jetzt hinführen?«
»Das müssen wir eben rausfinden«, sagte Rufus unbeirrt. Dann fuhr er fort: »Vielleicht ist es ein besonders wertvolles Artefakt? Oder eines, das Amilcar besonders am Herzen liegt!?«
»Aber welches Glas könnte ihm stärker am Herzen liegen als das, mit dem er sich den Weg in die Freiheit gebahnt hat?«, rief Bent.
»Genau«, pflichtete Anselm bei. »Ein wertvolleres Glas gibt es doch gar nicht!«
Vielleicht doch, schrieb Oliver auf. Er hielt den anderen seinen Block unter die Nase. Ein Opfer?
Filine nickte heftig. »Natürlich! Bei den Phöniziern gab es viele Opferriten. Ich habe gelesen, manche Wissenschaftler glauben sogar, dass dort Kinder geopfert worden wären. Vor allem aber waren es Tiere und Gegenstände. Es gab Klage- und Bittopfer, aber auch Dankopfer! Ja, Oliver! Und wenn du recht hast, dann handelt es sich bei dem Artefakt, um das es geht, ganz sicher um –«
»Ein Dankopfer!«, stieß Rufus hervor. »Das könnte es sein!«
»Genau!«, jubelte Filine. »Wie hieß denn noch mal der Gott, den Amilcar verflucht hat, als er so traurig war, vor seiner Entführung?«
»Jam!«, rief Rufus. Und in diesem Moment war es, als fiele ihm ein Schleier von den Augen. Jam, dieser Name hatte ganz zu Beginn der Flut in seinem Kopf herumgespukt, aber er hatte ihn vergessen. Jam! Das war es, das war der erste Hinweis, an den er sich nicht hatte erinnern können.
»Ja, Rufus«, sagt Filine. »Jam! Er ist der phönizische Gott
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