Das Schiff der Abenteur
erschrecken.«
»Micki ist trotzdem goldig.« Lucy kraulte das Äffchen unter dem winzigen Kinn. Es blickte sie mit klugen, ein wenig traurigen Augen an. Obwohl Lucy wußte, daß Micki bei Philipp glücklich war, wurde sie immer durch seinen traurigen Blick beunruhigt. Philipp behauptete zwar, alle Affen hätten traurige Augen. Aber sie glaubte ihm nicht recht und schwebte dauernd in Sorge, daß dem Äffchen etwas fehlen könnte.
»Da gongt es endlich zum Mittagessen«, sagte Dina aufatmend. »Hab ich einen Hunger! Kommt rasch hinunter in den Speisesaal.«
Andras Schatz
Nun kreuzte der »Wiking« zwischen den Inseln des Ägäischen Meeres einher. Das Wasser war hier von einem märchenhaften dunklen Blau. Die Kinder begrüßten jede in der Ferne auftauchende Insel mit großem Hallo.
Lucius kannte sich gut in dieser Gegend aus. Er nannte den Kindern die Namen der verschiedenen Inseln. Außerdem verstand er es, sie mit aufregenden Geschichten von Piraten, Entführungen und verborgenen Schätzen in Atem zu halten.
Eines Tages deutete er auf eine Insel, der sich das Schiff näherte. »Das ist Oupos. Die Insel ist zwar nur klein, besitzt aber eine alte Burg mit großen unterirdischen Verliesen. Dort warfen die Piraten in früheren Zeiten ihre Gefangenen hinein, die sie auf See gemacht hatten. Die armen Menschen mußten oft viele Jahre darin schmachten.«
»Wie grausam!« rief Lucy mit großen Augen. »Bist du schon einmal auf der Insel gewesen, Lucius?«
»Ja. Ich habe auch die Schächte gesehen, die in die Verliese führen, und bin sogar beinahe in einen hinein-gefallen.«
»Was sind denn das für Schächte?« fragte Philipp.
»In dem Hof der alten Burg befinden sich viele Löcher, die tief, tief in die Erde hineingehen«, erklärte Lucius. »Jeder Gefangene, den die Piraten auf die Insel brachten, wurde auf den Hof geschleppt und in eins von diesen Löchern hineingestoßen. Er fiel in die Tiefe und landete unten in einem Verlies, wo er meist schon andere Gefangene vorfand.«
»Das ist ja entsetzlich«, sagte Jack. »Konnten die Gefangenen nicht entfliehen?«
»Wie sollten sie? Es gab ja keinen anderen Zugang zu den Verliesen als durch die tiefen Schächte. Niemand konnte dort hinaufklettern.«
»Aber wie ernährte man die Gefangenen?« wollte Philipp wissen.
»Einfach genug. Man warf ihnen jeden Tag etwas zu essen hinunter.«
»Ist das wirklich wahr?« fragte Jack ziemlich zweifelnd.
»Aber ja!« beteuerte Lucius eifrig. »Ich bin doch selber auf der Insel gewesen und habe die Schächte mit eigenen Augen gesehen. Natürlich werden die Verliese jetzt nicht mehr benutzt. Der Hof ist mit Gras überwachsen, und man sieht die Schächte kaum, die zu ihnen hinun-terführten. Deshalb wäre ich auch beinahe in einen hin-eingeplumpst.«
»Hättest du dann dein ganzes Leben lang dort unten bleiben müssen?« fragte Lucy.
Lucius lachte. »Natürlich nicht. Mein Onkel hätte mich mit einem Seil wieder hinaufgezogen. Aber vielleicht hätte ich mir ein Bein gebrochen.«
»Erzähle noch mehr von den Inseln«, bat Jack. »Ich würde gern mal auf einer herumstrolchen.«
»Ich könnte ja meinen Onkel fragen, ob er es erlaubt«, meinte Lucius leichthin.
Die Kinder blickten ihn verwundert an. »Wieso?« fragte Philipp. »Was hat denn dein Onkel damit zu tun? Gehören die Inseln ihm vielleicht?«
»Ja, einige gehören ihm immer. Habe ich euch das noch nicht erzählt? Das ist so eine fixe Idee von Onkel. Er kauft die eine oder die andere Insel, untersucht sie gründlich und verkauft sie dann wieder nach einiger Zeit.«
Die vier Kinder machten ungläubige Gesichter. Es erschien ihnen sehr merkwürdig, daß jemand Inseln kaufte und verkaufte, als wären es Kuchen oder irgendwelche anderen Sachen.
»Aber — warum tut er das?« fragte Jack schließlich. »Ist er vielleicht an alten Sachen interessiert? Sucht er auf den Inseln nach Altertümern oder dergleichen?«
»Er interessiert sich sehr für Geschichte«, erklärte Lucius. »Und für alte Sachen auch. Ihr solltet einmal sein Haus in Athen sehen. Es ist mit den merkwürdigsten Dingen vollgestopft, die er auf den Inseln gefunden hat. Das ist nun mal so ein Fimmel von ihm.«
Die Kinder schwiegen nachdenklich. Der Onkel von Lucius erschien ihnen plötzlich in einem ganz neuen Licht.
Sie hatten ihn bisher für einen gewöhnlichen, etwas mür-rischen Erwachsenen gehalten, dem man am besten aus dem Wege ging. Aber es war schwer, jemand zu beurteilen, dessen Augen immer
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