Das Schiff der Hoffnung
grauen Männern nach.
Er erreichte sie kurz vor der Eingangstür. Sie war offen, und in der Halle warteten weitere zwei Männer in grauen Kitteln.
»Ihr Lumpen!« schrie Hellberg. Er stürzte auf den Mann zu, der Claudias Beine festhielt. Der Mann ließ die Beine fallen, drehte sich um und hieb einen gezielten Schlag gegen Hellbergs Kinn. Eine Sekunde lang schwankte er, aber sie genügte, um Claudia ins Haus zu schleifen. Die wartenden Männer in der Halle warfen die Tür zu. Der Graue, der Hellberg geschlagen hatte, rettete sich mit einem weiten Sprung ins Haus. Im gleichen Augenblick rasselte ein Scherengitter herunter. Die Klinik war abgesperrt wie ein Zuchthaus.
Vom Fenster seines Arbeitszimmers trat Dr. Tezza zurück ins Zimmer. Ein böses Lächeln lag auf seinen Lippen, seine bernsteinfarbenen Augen glühten. Auf dem Flur hörte er viele Schritte, die Tür sprang auf, Claudia wurde in das Zimmer geschoben. Sie sah herrlich aus in ihrem Zorn und ihrer Verzweiflung. Das bleiche Gesicht war gerötet, die langen, schwarzen Haare zerwühlt, aus den Augen schrie der ganze Haß, den sie gegen Dr. Tezza empfand. Sie blieb an der Tür stehen, nachdem die Wärter hinausgegangen waren, und legte beide Hände über ihre Brust. Dort war das Kleid zerrissen.
»Komm näher …«, sagte Dr. Tezza freundlich und zeigte auf einen der Ledersessel.
»Nein!«
»Ich habe dich beobachtet, wie du mit diesem jungen Mann gesprochen hast. Was hast du ihm erzählt?«
»Die Wahrheit!«
»Was nennst du Wahrheit?«
»Alles, was Sie mit mir getan haben und tun wollten!« schrie Claudia und ballte die kleinen Fäuste. »Alles! Alles!«
»Und das hat er dir geglaubt?«
»Ja!«
»Er scheint ein Mensch von primitivem Geist zu sein.« Dr. Tezza trat wieder an das Fenster. Unten, vor der Klinik, standen Hellberg und Haußmann und verhandelten mit einem der grauen Wärter. Erika saß auf einer Bank im Schatten einer Pinie. »Ist er ein Bekannter von Herrn Haußmann?«
»Sein Freund.« Triumph lag in Claudias Stimme.
»Hm.« Dr. Tezza wandte sich ins Zimmer. Sein Blick, mit dem er Claudia musterte, verhieß nichts Gutes. »Weißt du, daß es mir leichtfällt, dich für irr zu erklären? Dann kommst du in eine Irrenanstalt, und wer da einmal drin ist, kommt nicht oder nur sehr schwer wieder hinaus. Es wäre klug, ein liebes, stilles Mädchen zu sein und ein wenig zärtlich zu deinem Onkel Dottore zu werden.« Dr. Tezza wollte näher kommen. Claudia wich vor ihm zurück und flüchtete um den Schreibtisch. Dr. Tezza stürzte auf sie zu, riß sie zurück, wollte sie in seine Arme reißen, als es klopfte.
»Maledetto!« schrie Dr. Tezza. »Was ist?« Er ließ Claudia los, die zur Wand flüchtete, mit weiten, entsetzten Augen. Sie wußte, es gab für sie keine Hilfe mehr.
Einer der grauen Pfleger kam herein. Seine Miene war sehr ernst und fast erschrocken.
»Dottore«, sagte er, »der Mann draußen ist Journalist. Er droht, in allen Zeitungen der Welt einen Skandal zu machen.«
Dr. Tezza fuhr herum. »Wußtest du das?« schrie er Claudia an. Claudia nickte.
»Ja«, log sie. Und plötzlich war das Leben nicht mehr grau und hoffnungslos.
»Von welcher Presse?«
»Von der deutschen.«
»Auch das noch!« Dr. Tezza trat an einen Spiegel, strich die Haare etwas zurecht und verließ schnell sein Zimmer. Den Wärter ließ er zur Bewachung Claudias zurück.
An der großen Eingangstür stand allein Frank Hellberg und hatte die Hände um die Gitterstäbe gelegt. Karl Haußmann kümmerte sich um seine Frau. Er begriff das alles noch nicht. Nur Erika schien die Wahrheit zu ahnen. Sie lächelte schwach und schwieg, als Karl fragte: »Verstehst du das, Rika?«
Dr. Tezza gab ein Zeichen, als er in der Marmorhalle seiner Klinik erschien. Surrend fuhr das Scherengitter hoch, die Türen öffneten sich, Frank Hellberg trat ein. Ohne auf eine Vorstellung zu warten, wußte Hellberg gleich, wer der elegante Mann in dem weißen Anzug war. So mußte Dr. Tezza aussehen, es war gar nicht anders möglich.
»Lassen Sie sofort Claudia frei!« sagte Hellberg scharf und blieb drei Schritte vor Tezza stehen. Die beiden Männer sahen sich in die Augen und wußten in dieser Sekunde, daß sie Todfeinde waren. Dr. Tezza lächelte ironisch.
»Signorina Torgiano ist krank, sehr krank. Außer einem Bronchial-Ca. leidet sie auch an zeitweiligen geistigen Störungen. Schizophrene Schübe, wenn Ihnen damit gedient ist. Wir müssen dann sofort handeln, damit sie keinerlei
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