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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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zum Atmen zu lassen. Also öffne ich den Verschluss ein wenig, ehe ich Tsinoy das winzige Geschöpf durch den Spalt reiche.
    Noch vier weitere! Nach einer halben Ewigkeit – und einem bösen Erstickungsanfall, als ich aus Versehen Nährflüssigkeit einatme – habe ich alle vier Babys gesund und munter »zur Welt gebracht«.
    Nachdem die Stränge abgetrennt und die Babys in den grauen Beuteln verstaut sind, beruhigen sie sich. Eines nach dem anderen nimmt Tsinoy mir ab. »Und wer wird sie füttern?«, frage ich.
    »Nell sagt, sie können in den Säcken lange genug überleben.«
    »Lange genug für was?«
    Der Spürhund weicht nach hinten, damit ich in die Röhre zurückkehren kann. Genau in diesem Moment schließt sich die Wand mit den Membranen und wölbt sich so nach außen, dass sie den ganzen Würfel ausfüllt und an meine Füße stößt.
    Gleich wird sich der Spalt schließen. Der Schiffskörper betrachtet die Aufgaben in diesem Bereich offenbar als erledigt.

    Doch in der Röhre kann ich keine Anzeichen von den Babys entdecken und merke zu meiner Bestürzung, dass Tsinoys Volumen wieder zugenommen hat. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir die schlimmsten Vermutungen durch den Kopf schießen. Aber Tsinoy zerstreut sie sofort: Sie zeigt mir, dass sie die Babys unter ihre Fittiche genommen, das heißt unter ihren Wirbeln verstaut hat, wo sie es sicher und warm haben.
    »Hätten wir nicht eingegriffen, hätten sie sich in ihren Säcken zu Erwachsenen entwickelt«, sage ich, während wir den Rückzug antreten. »Auch ich stamme aus einem solchen Sack. Und du vermutlich auch.«
    Tsinoy quetscht sich durch die Röhre, bis sie die Kammer hinter den Tanks erreicht hat. Währenddessen frage ich mich, ob sie wohl Mutterinstinkte hat. Mittlerweile würde mich das gar nicht mehr wundern. Ich für meinen Teil empfinde etwas so Tiefes, dass ich es nicht in Worte fassen kann.
    »Wir bringen sie doch nach vorne, nicht?«, frage ich und wische mir die feuchten Finger und Hände an den Hosen ab. »Wir werden sie doch nicht etwa Mutter übergeben, oder?«
    »Auf keinen Fall«, erwidert Tsinoy. »Also – vorwärts!«

Schlimme Erkenntnisse
    V on der Mitte des riesigen Schotts aus erstrecken sich die Halteseile mehrere Hundert Meter nach außen. Wie Insekten, die auf einem überdimensionalen blaugrünen Auge herumkrabbeln, hangeln wir uns über die transparente Oberfläche. In den Becken wallen durch die Schwerelosigkeit erzeugte bläuliche Schichten aus Luft und Wasser auf, die wie Edelsteine funkeln. Doch da ich den Anschluss an Tsinoy nicht verlieren will, achte ich kaum auf die Tanks – bis auf der anderen Seite irgendetwas Dunkles vorübergleitet. Von einer scharfen Kante spritzen glitzernde Tropfen hoch, die von einer Wasserwand sofort absorbiert werden. Gleich darauf ist von dem unbekannten Ding nichts mehr zu sehen, so sehr ich das Wasser auch danach absuche. Also befindet sich nicht nur Flüssiges in diesen Tanks. Verwirrt mustere ich die Tiefen weiter hinten. Lauern auch dort große Schattengebilde?
    »Du hast das doch auch gesehen, oder nicht?«, rufe ich zu Tsinoy hinüber. In dieser Kammer weiß man nie, aus welcher Richtung die eigene Stimme widerhallt und welche Konsonanten oder Zischlaute das Echo hervorbringt.

    Als Tsinoy und ich einen Blick miteinander austauschen, fällt mir auf, wie trübe, übermüdet und resigniert ihre rötlichen Augen aussehen.
    Auf den letzten paar Metern habe ich zu einem Auffangbecken für Rückstände hinübergeschaut und dabei zu meiner Verblüffung einen glänzenden lichtdurchlässigen Schacht entdeckt, der die genaue Mittellinie zwischen den Tanks bildet und mitten durch den Schiffskörper führt, vielleicht sogar vom Achterdeck bis zum Bug. Es sieht so aus, als baumelte zwischen sechs riesigen, träge sprudelnden Wasserbehältern eine Glasröhre.
    Dieses Rohr führt bis zur Schottmitte und endet unmittelbar vor uns in einer runden jadegrünen Luke. »Wir werden auf diesem Weg zum Bug zurückkehren«, erklärt Tsinoy. Als sie mit der Hand über die Klappe streicht, spaltet sich diese in drei Teile, die nach oben fahren. Darunter wird der Eingang zu einer leeren Transportkugel sichtbar, deren Durchmesser drei Meter beträgt. Nachdem wir hineingeschwebt sind (und dabei registriert haben, wie kalt und hart ihre Oberfläche ist), nimmt ein kleiner blauer Würfel ächzend die Arbeit auf, um uns Frischluft zuzuführen. Unmittelbar darauf schließt sich die Luke. Nach einem

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