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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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besitzen. Alle Mädchen lieben ihren Lehrer, stimmt’s? Aber mein Körper ist starr und gefühllos, mein Geist eiskalt. Wäre ich doch nie geboren, nie erschaffen worden.
    Als ich mich einem anderen Tank zu meiner Rechten zuwende, sehe ich, wie ein massiger, grau-grüner
Aal vorbeigleitet, der über zwanzig Meter lang ist. Er hat winzige Knopfaugen und ein vorgestülptes, heimtückisches Maul. Auf die Bewegung unserer Kugel reagiert er mit einem Zittern und Peitschen. In einem Hohlraum zwischen spiralförmigen Wellen irgendeiner Flüssigkeit züngeln kleine Flammen – der Aal erzeugt Blitze !
    Jetzt ist mir auch klar, warum es hier sechs Tanks gibt: Schließlich kann man seine tödlichsten Waffen nicht in ein einziges Becken stecken, denn dort würden sie einander nur vor der Zeit, vor dem geplanten Einsatz, töten.
    Plötzlich gibt Tsinoy ein seltsames Geräusch von sich, das halb nach einem Knurren, halb nach einem Jaulen klingt. Ich folge ihrem Blick nach links, zu dem Tank, in dem das schraubenförmige, messerscharfe Monster schwimmt. Als würde eines seiner Art nicht reichen, sind es mittlerweile fünf. Sie haben sich – Kopf an Schwanz – zu einer einzigen herumwirbelnden Spirale miteinander verbunden und gerade die Richtung geändert, um mit den messerscharfen Zähnen wütend die Tankwand zu attackieren, als wollten sie zu uns durchbrechen. Eine gute Vorbereitung darauf, irgendeinen entfernten Meeresgrund von einheimischen Arten zu säubern. Vor meinem geistigen Auge kann ich direkt sehen, wie eine Kette aus spiralförmigen Sägezahnmonstern das Herzstück planetaren Lebens von der Basis aus vernichtet. Und danach selbst stillschweigend stirbt und zum Meeresgrund hinabsinkt, während die Wellen ungerührt weiterrauschen, als wäre niemals
etwas geschehen. Als hätte es hier niemals Leben gegeben.
    Willkommen in der Wirklichkeit unserer Welt: Man hat eine massive Samenkapsel voller tödlicher Kinder zu den Sternen hinaufgeschossen. Und der Samen dient zu nichts anderem, als alles zu vernichten, was mit ihm in Berührung kommt.
    Die Kugel beschleunigt jetzt und saust durch ein tragendes Schott und einen dunklen Hohlraum, der von riesigen Röhren umgeben ist. Schließlich tauchen wir in ein gespenstisch bleiches Licht ein, bremsen ab und halten an, während der blaue Würfel ein letztes Mal ächzt und die Kugel sich öffnet. Wir dürfen aussteigen.
    Und sind zu der Kammer jenseits der Tanks zurückgekehrt, die Richtung Bug weist.
     
    Jetzt, da wir im Bug angekommen sind, ist Tsinoy doppelt nervös. Mir fällt auf, dass alle mich und meinen Zwilling jetzt anders ansehen als früher. Nun stehen wir alle beide unter Verdacht.
    »Was ist mit Kim passiert?«, fragt mich mein Zwilling. »Und was ist mit den Mädchen?«
    »Die Mädchen sind achtern. Ich glaube, es geht ihnen gut. Schließlich bin ich doch noch Mutter begegnet. « Meine Kehle wird mir eng, und mir schießen Tränen in die Augen. »Sie hält Kim fest und scheint sehr beschäftigt zu sein. Hat die Leitung übernommen. Vielleicht würdest du sie wiedererkennen.«
    »Wie ist sie denn so?«, fragt mein Zwilling. Und als ich sehe, wie unstet sein Blick ist, frage ich mich, ob er
es nicht schon erraten hat – oder weiß. Vielleicht hat auch er die Skizze im Schacht entdeckt. Oder er weiß es instinktiv, schließlich ist er die reinere Form des gewünschten Typus Lehrer.
    Ich beschreibe Mutter, so gut ich kann. Es fällt mir bemerkenswert schwer, in Worte zu fassen, was ihr Wesen ausmacht. Meinem Zwilling läuft dabei ein heftiger Schauer über den Rücken, genau wie mir vor ein paar Stunden. »Das kann nicht sie sein«, wendet er ein, klingt aber nicht überzeugt. Vielmehr schwingt eine mir unheimliche Sehnsucht in seinen Worten mit. »Hat sie dich erkannt?«
    »In gewisser Weise schon. Wir alle stellen Mischformen dar. Irgendjemand hat unsere ›Gussformen‹ mit einer Mischung unterschiedlicher Zutaten – unterschiedlicher Persönlichkeiten – gefüllt.«
    »Iggenjemann?«, fragt Tomchin. Während unserer Abwesenheit hat er sich eine nasale Redeweise in unserer Sprache zu eigen gemacht, die ich nur halb verstehe.
    »Seit deinem Aufbruch hat Nell mit der Schiffsleitung kommuniziert«, erklärt mein Zwilling, während wir uns zu der kleinen Gruppe von Kontrollinstrumenten vorschieben. Nach wie vor ruhen Nells lange, schlanke Hände auf der blauen Halbkugel. »Nell verlässt ihren Posten nie, aber manchmal redet sie auch mit uns. Sie sagt, sie erhalte

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