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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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laufend irgendwelche Updates. Ich mache mir schon Sorgen um sie.«
    Wir bleiben dort stehen, um all das zusammenzutragen und zu verarbeiten, was wir unserer Meinung nach wissen und gesehen haben. So gut ich kann, informiere
ich meinen Zwilling über den Hin- und Rückweg meiner Reise zu Mutter, erzähle von den Monstern, den Elementen in ihren riesigen Tanks, und versuche den Genpool zu beschreiben. Aber mein Doppelgänger scheint all das aufgrund zurückgekehrter Erinnerungen bereits deutlich vor Augen zu haben.
    Nell ist währenddessen an der Halbkugel geblieben. Sie wirkt teilnahmslos und ist offenbar taub für alles, was wir sagen.
    »Das hier ist kein simples Siedlerschiff«, erkläre ich abschließend. »Es ist eine Todesfabrik.« Und was soll daran so schlimm sein? Was ist so schlimm daran, um jeden Preis überleben zu wollen? Das geht nicht nur meinem Bruder, sondern auch mir durch den Kopf.
    Nell löst die Hände von der Kugel und knetet die langen Finger, um deren Durchblutung zu fördern. »Ich bin völlig ausgehungert.«
    »Was witt Schiff jezz tun?«, fragt Tomchin.
    »Erst mal essen wir was«, fährt Nell dazwischen. »Wir müssen Gelassenheit bewahren und die Situation gründlich durchdenken. Es sind zu viele verwirrende und widersprüchliche Informationen aufgetaucht. Aber vielleicht – und das ist ein großes Vielleicht – haben wir jetzt so viele Anhaltspunkte beisammen, dass wir unsere Entscheidungen auf solider Grundlage treffen können.«
    Mein Zwilling bietet an, Essen zu holen. Ich begleite ihn nicht nur aus Kameradschaft, sondern auch, weil ich ihn im Auge behalten will. Ich habe niemandem erzählt, dass Mutter ihn zu sich beordert hat.

    Wir kehren mit Nährriegeln und Kolben, die eine süße Flüssigkeit enthalten, zurück. Nach wie vor sorgt das Schiff für uns. Vielleicht auf Mutters Anordnung hin. Oder wegen Nell.
    Beim Essen rückt Nell schließlich mit der Sprache heraus. »Ich habe mit jemandem geredet, der behauptet, die Reiseleitung zu vertreten beziehungsweise ihr anzugehören. Ich kann nicht zurückverfolgen, woher die Stimme kommt. Kann nicht mal sagen, ob sie männlich oder weiblich ist oder ob es sogar mehrere sind.« Bewusst hat sie diese Stimme nicht als menschlich bezeichnet. »Und ich weiß auch nicht, ob wir irgendwelchen Dingen, die sie behauptet, Glauben schenken dürfen. Ach ja, und die Stimme hat gesagt, dass Schiff sei umgelenkt worden.«
    »Von wo nach wo?«, will Tsinoy wissen.
    »Das ist angeblich nicht bekannt. Jedenfalls ist es ein einziges Chaos. Einige von uns wurden auf Veranlassung der Reiseleitung geschaffen, wie die Stimme erklärt hat.« Nell verzieht das Gesicht. »Die Reiseleitung hat bei unserer Erzeugung eine Ader angezapft, die man Gewissen nennen könnte. Hat dafür gesorgt, dass einigen von uns dieses ›Gewissensgen‹ eingepflanzt wurde. Hin und wieder sind die Muster, die an die Zeugungsstationen geschickt wurden, ein bisschen durcheinandergeraten; gut möglich, dass jemand das bewusst so gesteuert hat. Signale haben einander überlagert und andere verdrängt. Innerhalb unserer ›Gussform‹ wurde einiges vermischt, wie der Lehrer ja schon gesagt hat. Das Schiff selbst hat eine davon abweichende
Gruppe geschaffen, um die ursprüngliche Mission zu verteidigen. Erst hat die eine Fraktion die Kontrolle übernommen und dann die andere. Es ging hin und her.« Sie taxiert mich mit traurigem Blick. »Ich glaube, der Kampf geht schon seit mindestens hundert Jahren. Schließlich hat Mutter die Kontrolle über den Genpool erlangt. Sie hat das Sagen über die meisten Elemente.«
    »O Gott«, sagt mein Zwilling mit düsterer Miene.
    »Ihr beide scheint zu wissen, wer und was diese Mutter ist«, fährt Nell fort. »Die Mädchen waren eure Geburtshelferinnen, haben euch bevorzugt behandelt, in Sicherheit und zu diesem Schiffskörper gebracht. Da ist es nur natürlich anzunehmen, dass einer von euch oder auch ihr beide dazu geschaffen wurdet, als Mutters Verbündeter, als ihr Lebensgefährte zu agieren. Wir übrigen stellten ein Risiko dar, das sie eingehen musste. Später hätte man uns beseitigt. Es bleibt nur eine Frage: Hat man euch alle beide mit einem Gewissen ausgestattet?«
    Mein Zwilling ist mir nicht von der Seite gewichen, steht so nah bei mir, als wollte er den anderen die Entscheidung schwermachen, welcher von uns beiden wer ist. Bis jetzt konnten die meisten der Gruppe uns nicht auseinanderhalten oder haben es gar nicht erst versucht. Doch

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