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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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den anderen zu lernen, indem ich sie genau beobachte, und schaffe es, nicht hinter ihnen zurückzubleiben, so dass wir schließlich in einem großen Knäuel auf die Öffnung zuschweben.
    Nach wie vor ist mir unbegreiflich, wie wir das letzte Manöver geschafft haben. Irgendwie wirbeln wir um den Trichter der Öffnung herum, krabbeln schließlich so unbeholfen wie kleine Kinder, die einen Sandhügel erklimmen, an einer Stelle hinein – wobei wir uns gegen den Seitenwind stemmen müssen – und landen irgendwann in einem größeren Raum, weit entfernt vom Trichter der Öffnung, der Flusswanne und dem wunderbaren, aber auch beängstigend schnell dahinströmenden Wasser.
    »Toll!«, ruft das Mädchen. »Manchmal klappt das erst nach drei oder vier Versuchen!«
    »Wie lange machst du so was denn schon?«, frage ich.
    »Keine Ahnung. Hab schon vier Flüsse überquert, aber so weit wie jetzt bin ich noch nie vorgedrungen. Und ich hab’s sogar geschafft, mein Buch bei mir zu behalten. «

    Was hat sie nur immer mit diesem Buch? Na ja, ich blicke hier ja sowieso kaum durch. Ich weiß nichts, kann nichts und habe keine Ahnung, warum diese Notgemeinschaft mich immer noch mitschleppt. Plötzlich habe ich wieder Angst: Im wahrsten Sinne des Wortes bin ich das fünfte Rad am Wagen. Vielleicht bin ich doch nur deren lebender Proviant?

Weite Perspektiven
    D ie Kammer, in der wir uns befinden, ist wirklich riesig. Ich kann weder die Decke noch die gegenüberliegende Wand ausmachen. Eines weiß ich jedoch: Diese Kammer rotiert nicht. Da wir die Luftströmungen rings um den Trichter mittlerweile hinter uns gelassen haben, können wir uns hier nur durch ein »Schwimmen« vorwärtsbewegen, was mühsam ist und lange dauert.
    Inzwischen bin ich so ausgehungert, dass ich ernsthaft überlege, ob ich meine Hände oder die Arme anknabbern soll.
    »Wir warten noch«, erklärt Picker und legt einen Finger an die Nase auf der Stirn. »Aber bald brechen auf. Dann kommt Kälte, und wir müssen Wärme suchen. «
    Das Mädchen nickt.
    Ich mache innerlich eine Bestandsaufnahme: Mindestens zwei von uns glauben, dass wir uns auf einem Schiff befinden, und zwar auf einem sehr großen. Möglich, dass dieses Schiff tatsächlich krank ist, was immer das auch heißen mag. Ich weiß zu wenig, um mir irgendein Urteil erlauben zu können. Die Erinnerungen
aus der Traumzeit scheinen zu diesen Annahmen zu passen, aber sie sind mehr als lückenhaft. Unser derzeitiger Aufenthaltsort auf dem Schiff scheint mehr oder weniger außenbords zu liegen. Wir haben uns langsam vorwärtsbewegt, sind von einer umlaufenden Verbindungsröhre zur nächsten gelangt. All diese Tunnel und Röhren sahen verschieden aus und erfüllen offenbar unterschiedliche Funktionen. Eine dieser Röhren birgt eine rotierende Wanne, die als Flussbett dient. Ich habe keine Ahnung, woher das Wasser stammt und warum die Wanne rotiert. Allerdings erinnere ich mich noch gut daran, dass das Wasser auf der Zunge gekribbelt hat, und bekomme schon wieder Durst.
    Wir sind zu fünft. Drei von uns sehen – jeder auf seine Weise – fremdartig und ganz unterschiedlich aus, zwei von uns gleichen sich, auch wenn die eine Person kleiner und anscheinend jünger ist als die andere. (Warum »anscheinend«? Weil sie mehr weiß als ich. Abgesehen von meiner Größe, der eines Erwachsenen, komme ich mir jünger als das Mädchen vor.)
    Mittlerweile gehe ich davon aus, dass die drei fremdartig wirkenden Burschen schon seit einiger Zeit zusammen sind, sich hier vielleicht noch besser auskennen als das Mädchen und es mit Mühe schaffen, ein paar Wörter der Sprache zu sprechen, die meine und die des Mädchens ist. Umgekehrt versteht die Kleine auch etwas von der Sprache voller Heul- und Pfeiftöne, die Picker und Pushingar sprechen.
    Der Raum binnenbords oder »über uns« (sobald Schwere herrscht) ist so tief und dunkel, dass er unergründlich
erscheint. Doch nach einer Weile glaube ich, dort große, miteinander verschränkte Bogenverstrebungen zu erkennen, die zusammen Dreieckskonstruktionen ergeben. Aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht ist es auch nur eine optische Täuschung.
    Nichts ringsum bewegt sich.
    Die Ruhepause geht schnell vorbei. Das Mädchen, das bisher im Lotussitz durch den Raum getrieben ist, faltet die Glieder wieder auseinander. Als ich zu der nach außenbord weisenden Oberfläche blicke, dem »Boden«, merke ich, dass wir uns wieder bewegen. Und die Luftströmungen in diesem

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