Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
zerfetzte Kleidungsstücke und andere Dinge, die ich nicht identifizieren kann. Vielleicht kann man sie essen? Ich bleibe stehen, beuge mich hinunter und hebe etwas Kleines, Bräunliches auf, einen zerbrochenen Würfel. Während die anderen weiterlaufen, schnuppere ich daran, kann aber nichts riechen. Als ich den Würfel abtaste und zu zerquetschen versuche, muss ich feststellen, dass er so hart wie Stein ist. Trotzdem finde ich es den Versuch wert hineinzubeißen. Doch die Kleine verhindert es: Sie hat kurzerhand kehrtgemacht, um mir den Würfel aus der Hand zu schlagen. »Das kann man nicht essen«, schimpft sie. »Du jedenfalls nicht. Wart doch ab! Sicher finden wir bald was. Das hier ist ein Ort, der für Menschen geschaffen wurde.«
    Ebenso wütend wie frustriert mustere ich erst den am Boden liegenden Würfel, dann das Mädchen, und
merke dabei, dass ich weine, obwohl meine Augen keine Tränen mehr produzieren.
    »Weiterlaufen!«, befiehlt die Kleine und zerrt mich am Arm vorwärts. »Wir müssen ins Warme. Komm schon!«
    Als wir weitergehen – offenbar ist ihr klar, dass ich zum Rennen viel zu erschöpft bin –, bückt sie sich irgendwann, hebt einen größeren Lumpen auf, schüttelt ihn aus und reicht ihn mir. »Ist nicht allzu schmutzig«, versichert sie. »Und könnte passen.«
    Im Zwielicht schaue ich mir den Fetzen näher an: Shorts aus dünnem Stoff mit Gummizug. An einem Hosenbein prangt ein längst getrockneter großer Blutfleck. »Nein, danke«, erwidere ich, behalte die Shorts jedoch in der Hand.
    »Ganz, wie du willst. Allerdings stammt fast alles, was wir anhaben, von Toten. Reicht gerade für das Notdürftigste an Kleidung.«
    Falls das aufmunternd gemeint war, erreicht es bei mir genau das Gegenteil. Wieder würde ich mich am liebsten an Ort und Stelle auf den Boden werfen und dort liegen bleiben, nur ist mir klar, dass die Kleine das niemals zulassen würde. Schließlich stoßen wir zu den anderen, die, gegen die Wand gelehnt, auf dem Boden hocken. Satmonk und Pushingar scheinen zu schlafen, während Picker die Strecke vor sich im Auge behält.
    Als die Kleine zu ihnen hinübergeht, legt Picker eine Hand über die Nase. »Schon hier gewesen?«, fragt er, muss niesen und schüttelt den Kopf. Es ist sehr schwierig
für ihn, sich auf diese Weise mit uns zu verständigen.
    »Nein, bin noch nie so weit vorgedrungen«, erwidert die Kleine.
    »Vielleicht in Buch eintragen«, schlägt Picker vor. Doch das Mädchen verzieht nur das Gesicht.
    Als alle aufstehen und aufbrechen, folgen wir ihnen, rennen aber nicht. Die Luft ist zwar immer noch kühl, kommt mir jedoch nicht mehr ganz so kalt vor wie vor wenigen Minuten. Vielleicht ist der Optimismus des Mädchens doch berechtigt.
    Bald darauf fällt uns auf, dass das Licht vor uns sich verändert hat. Es ist zwar immer noch schwach, wirkt aber bläulicher und strahlt bis in den hinteren Teil des Korridors aus.
    »Ist das eine Blase?«, fragt das Mädchen.
    »Was ist eine Blase ?«, will Picker wissen. Pushingar scheint das Wort zu kennen, jedenfalls folgt ein Dialog voller Pfeif- und Huptöne. Würde ich nicht gerade sterben, könnte ich mich vor Lachen über die komischen Geräusche ausschütten.
    Doch Picker bringt mich unverzüglich zur Räson. »Die kennen Blasen«, sagt er streng. »Jemand hat aufgeschrieben. « Während er einen Niesanfall unterdrückt, wirft er mir einen schrägen Blick zu und fasst sich an die Nase. »Lern du hupen!«
    »Klar«, erwidere ich, fasse an meine Nase, schnaube leicht und tute ein- oder zweimal wie ein Horn.
    Das löst bei allen Lachsalven aus, die bei jedem anders klingen. Und ich dachte schon, ich müsse gleich
sterben! Dabei kann ich immer noch Witze reißen. Entweder ist mein Scherz bei ihnen angekommen – oder solche Töne sind bei der jeweiligen Spezies von Picker, Pushingar und Satmonk üblich, ehe man sich die Beute schnappt und auffrisst.
    Falls ihnen nach Beutemachen und Fressen ist, hätten sie mein volles Verständnis. Aber ich weiß natürlich, dass sie nicht vorhaben, mich zu verspeisen. Schließlich sind auch sie Menschen . Andersartig, aber Menschen wie ich. Woher ich das weiß, kann ich allerdings nicht sagen.
    Ehe ich die Kleine wieder einholen kann, nähern wir uns dem bläulichen Licht, und ich sehe, dass der Korridor sich nicht mehr nach oben wölbt, sondern sich nach jeder Seite hin öffnet – ausdehnt und weitet. Der Fußboden geht in eine Art Brücke über, die ringsum von Verstrebungen

Weitere Kostenlose Bücher