Das Schiff - Roman
eisernen Willen.
»Erzähl uns deine Geschichte«, fordert das Mädchen mich auf.
Ich berichte ihnen alles, was ich weiß. Nach einigen Minuten stößt auch der Junge zu uns und hört skeptisch zu.
»Wir befinden uns auf einem Schiff«, erkläre ich schließlich. »Einem Schiff im Raum, zwischen den Sternen. Meines Wissens sollten wir alle schlafen und erst dann geweckt werden, wenn unser neuer Planet in Reichweite ist. Das sind Erinnerungen aus meiner Traumzeit. Doch dann hat mich ein kleines Mädchen, das so aussah wie du, aus einem Raum voller frischer Leichen geholt. Das Mädchen sagte, wir müssten in die Wärme, sonst würden wir sterben. Hinter uns haben sich die Türen geschlossen …«
Eines scheint das Mädchen und die Frau besonders zu faszinieren: meine Behauptung, dass das Schiff in Wirklichkeit aus drei Schiffsrümpfen besteht und mit einem riesigen Eisklumpen verbunden ist. »Gut möglich«, setze ich nach, »dass das Eis das Schiff mit Treibstoff und Reaktionsmasse versorgt.«
Ich erzähle ihnen auch von der Stimme, die aus der Wand kam. Über die Rotations- und Stillstandsphasen wissen sie bereits Bescheid. Von der silbernen Gestalt will der Junge nichts hören. Das meiste, was ich berichte, scheint ihn nicht zu interessieren, aber dieser Teil meiner Geschichte macht ihm offenbar Angst.
Über den Wechsel von Wärme- und Kältephasen wissen die drei nicht viel. In dieser Schiffsregion merken sie ja auch nichts davon: Warme Orte kühlen hier niemals aus, kühle Orte heizen sich niemals auf.
»Erzähl nochmal von dieser Stimme«, fordert die Frau mich auf.
»Die Stimme hat mich gefragt, ob ich zur Leitung des Schiffs gehöre. Und später hat sie behauptet, sie habe mich geschaffen. Was sie damit gemeint hat, weiß ich nicht.«
»Also hast du gar nicht geschlafen und wurdest auch gar nicht geweckt. Du bist eine Züchtung des Schiffes«, erklärt die Kleine. »Und das Mädchen hat dich da herausgeholt, weil es dich für wichtig hielt. Wichtig, weil du niemals aufgibst und immer wieder versuchst, weiter vorzustoßen.«
Ich lasse mir die Worte so nüchtern wie möglich durch den Kopf gehen, was nicht einfach ist, da mein Herz rast und ich am liebsten nur dahocken und losbrüllen würde. Schließlich greife ich in die Hosentasche, hole die Plastikfolie heraus, die auf einer Seite den roten Streifen und auf der anderen Reste von Schriftzeichen hat, und halte sie hoch. »Weiß jemand, wozu so was dient?«
»Dazu, sich an bestimmte Dinge zu erinnern«, erwidert die Kleine. »Man hält sie fest und macht später ein Buch daraus.« Sie greift in ihre Hosentasche und tastet mit bitterer Miene nach irgendetwas.
»Erzähle ich euch eigentlich jedes Mal alles, was ich weiß, ehe ich weiterziehe?«, frage ich.
Die Frau legt dem Mädchen eine Hand auf die Schulter, doch es schüttelt sie ab. »Gib es ihm«, sagt sie. »Es steht ihm zu.«
»Aber mein Buch hat er mir nicht mitgebracht«, beschwert sich das Mädchen. »Er hat’s verloren. Na ja, vielleicht hat’s der Nächste dabei.«
Ich mustere die dünne Plastikfolie in meiner Hand.
»Ich besitze kein Buch«, erklärt die Frau und wendet sich ab. »Hab nie eins gehabt. Aber das heißt nicht, dass dir deins nicht zusteht.«
»Los, gib’s ihm«, fordert der Junge die Kleine auf. »Es werden schon noch andere auftauchen.«
»Aber es ist schon so viel Zeit vergangen, und ich muss unbedingt meine Mutter finden«, jammert die Kleine. »Ich brauche Mutter !«
Ratlos blicke ich von einem zum anderen.
»Eigentlich ist es bei uns doch recht gemütlich«, sagt der Junge. »Wenn die Reiniger kommen, mach ich einfach die Tür zu. Hier können wir uns verstecken. Und wenn wir Hunger haben, befehle ich den Räumen, Nahrung herzustellen, und sie gehorchen mir. Und jetzt zum letzten Mal: Gib ihm sein Buch!«
Offenbar hätte der Junge liebend gern das Oberkommando. Will er die Kleine auf diese Weise einschüchtern? Jedenfalls gelingt ihm das nicht, denn sie setzt eine störrische Miene auf und wirkt lediglich genervt. Schließlich zieht sie etwas Rechteckiges mit schwarzem Deckel aus der Hosentasche. »In dem Ding da steht sowieso nichts über Mutter. Das meiste davon ist nur dummes Zeug.«
Ich nehme ihr das kleine Buch aus den zitternden Händen. »Danke.«
Sie holt einen kurzen, dicken Stift mit einer scharfen schwarzen Spitze aus der Hosentasche, eine Art Bleistift . »Den kannst du benutzen, wenn du möchtest.«
Mit schweißnassen Fingern greife ich
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