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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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gemütliche Umgebung gemeint ist.
    Den Blick immer noch auf mich gerichtet, lässt sich die Frau weiter nach unten gleiten, bis wir einander fast berühren. Als sie ihre Hand auf mein Bein legt, löst das seltsame Gefühle bei mir aus. Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. In Anbetracht der Gefahr da draußen kommt mir diese Berührung völlig unangemessen
vor. Aber vielleicht fasst sie mich genau deswegen an: weil sie Angst hat und möchte, dass ich sie beruhige.
    Doch es ist so sicher wie das Amen in der Kirche (wo kommt das jetzt her? Vielleicht ist es eine spartanisch möblierte Kirche?), dass ich nicht derjenige bin, der sie beruhigen kann. Trotzdem streichle ich ihre verschwitzte Hand und löse sie danach sanft von meinem Bein, so dass sie schlaff auf dem Sofa liegen bleibt. Dabei hat sich die Frau so bemüht, ist über den eigenen Schatten gesprungen . Plötzlich bin ich so traurig, dass ich es kaum ertragen kann.
    »Er ist nicht für dich bestimmt«, sagt der Junge, der uns die ganze Zeit über mit unbeteiligter Miene beobachtet hat. »Das Schiff hat ihn so geschaffen, dass er niemals dir gehören wird.«
    »Halt den Mund«, herrscht die Frau ihn an.
    »Halt lieber selber den Mund!«
    Während die Frau sich räuspert, steht der Junge auf und presst sein Ohr gegen die Tür, gestikuliert erneut, dreht sich um und lächelt. Gleich darauf öffnet sich die Tür und gibt den Blick auf den Gang frei, der still und verlassen daliegt. »Die sind weg«, erklärt er.
    »Wer war das?«, frage ich.
    »Elemente«, erwidert der Junge. »Ich spüre es jedes Mal, wenn sie anrücken. Dann schließe ich einfach die Tür, und sie gehen an uns vorbei.«
    Die Frau starrt in eine Zimmerecke. »Gleich wirst du uns verlassen«, bemerkt sie trübsinnig. »Das tust du immer. Du liest dein Buch, und danach brichst du auf.
Und später bringen sie dich dann zurück.« Sie erschauert und wirkt dabei resigniert oder sogar verzweifelt. »Geh nicht nach draußen. Dort warten nur Elend und Tod auf dich. Bleib doch einfach hier. Es ist genug zu essen und zu trinken da, und wir könnten uns miteinander die Zeit vertreiben. Gespräche vermisse ich am meisten.«
    Aber auch ihr ist klar, dass ich meine Entscheidung längst getroffen habe.
    »Händige ihm beim nächsten Mal das Notizbuch einfach nicht aus«, schlägt der Junge vor.
    Die Frau steht auf. »Also gut. Wenigstens möchte ich dir Essen und Wasser mit auf den Weg geben.« Sie blickt zu dem Jungen hinüber, der ihr mit einem Nicken die Erlaubnis dazu erteilt. Er hat hier das Sagen und behandelt die Frau so, als wäre sie nur irgendein Möbelstück.
    Ein weiterer Grund für mich, unverzüglich aufzubrechen.

Auf die Mitte zu
    D er Junge scheint froh darüber zu sein, mich endlich loszuwerden, und gibt mir unaufgefordert noch Tipps mit auf den Weg. »Bring den Gang mit den Gefrierschränken so schnell wie möglich hinter dich, solange noch Schwere herrscht. Auf der anderen Seite müsste es wärmer sein.«
    Ich halte mich daran und schaffe es gerade noch rechtzeitig zum anderen Ende, bevor die Schwerelosigkeit einsetzt. Jetzt muss ich mich zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden: zwischen einem Schacht, der weiter ins Innere führt und an einer Seite mit einer Leiter ausgestattet ist, und einem Gang, der sich ein paar Meter vor mir gabelt. Ich vermute, dass der Gang, so wie die äußeren Schiffsregionen, rund um die Schiffsmitte verläuft, weiß aber natürlich nicht, ob er einen vollen Kreis beschreibt und mich nach der Umrundung zurück zu dieser Stelle bringen würde, oder ob er irgendwo eine Abzweigung macht. Mit anderen Worten: Entweder spielt es keine Rolle, ob ich mich nach rechts oder nach links wende, oder ich lande, je nach gewählter Richtung, an jeweils unterschiedlichen Orten.

    Ich erlaube mir den Luxus, kurz stehen zu bleiben, um einige nur schwach erkennbare Markierungspunkte zu mustern, kann die Strahlenkränze und Streifenmuster jedoch nicht deuten. Vermutlich sind sie auch nicht für Menschen gedacht, sondern hier als Orientierungspunkte für die dienstbaren Geister, die Elemente, angebracht. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass nur ein sehr kleiner Teil des Schiffs für den Aufenthalt von Menschen vorgesehen ist. Alles, was ich bisher gesehen habe, hat eine gewisse Logik und ist nützlich, sofern man ein Element ohne ausgeprägte Neugier ist, das spezifische Aufgaben erfüllt, ohne sich um anderes zu scheren. Aber mich werden der Stumpfsinn und die

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