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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ein weiterer rätselhafter Menschentyp in unserem traurigen Kuriositätenkabinett. »Dann muss das Mädchen dich wohl für sehr wichtig halten«, bemerkt sie skeptisch.
    »Er ist wichtig!«, beteuert die Kleine. »Schließlich ist er der Lehrer!«

    »Und ich hab Tsinoy mitgebracht«, erklärt die Spinnenfrau und sieht mich dabei mit zusammengekniffenen Augen so an, als wollte sie mich warnen. »Er ist direkt hinter mir.«
    »Vorsicht!«, mahnt mich der Gelbe und deutet mit dem kaum vorhandenen Kinn auf die Klappe.
    Als sich die Luke diesmal öffnet, taucht, wie mit breitem Pinselstrich gemalt, etwas Elfenbeinweißes aus der Dunkelheit auf. Sofort fahre ich zurück und unterdrücke mühsam den Drang, wegzulaufen und mich zu verstecken. (Allerdings gibt es hier sowieso kein Entkommen und auch kein Versteck.) Dieses Wesen ist so groß, dass es kaum durch die Luke passt, und hat nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit einem Menschen. Glänzende Wirbel, sie bestehen offenbar aus Elfenbein, wogen hin und her und ziehen sich schließlich wie gesträubtes Fell zurück. Die Schultern sind wie die eines Hundes gebaut, dazwischen baumelt ein länglich geformter Kopf mit kleinen rötlichen Augen und einer stumpfen, reptilienartigen Schnauze. Als die wie mit Raureif überzogenen Lippen zurückfahren, werden eisgraue Zähne sichtbar – Zähne, die mit Sicherheit stärker zubeißen können als die eines Tiers, vielleicht sind sie sogar fester als Stahl.
    Ich habe dieses Geschöpf schon früher gesehen, in einem Teil der Traumzeit, an den ich mich offenbar nicht erinnern soll … und auch nicht erinnern will.
    Der von blassen Borsten überzogene Körper wird von schimmernden spiralförmigen Muskelbändern zusammengehalten, die mit silbergrauen Knochen verbunden
sind. Während das Geschöpf sich neben der Spinnenfrau niederlässt und dabei den ganzen Raum vom Fußboden bis zur Decke einnimmt, finden seine Muskeln neue Verbindungspunkte. Die Form verändert sich ständig, scheint jedoch von Minute zu Minute mehr Kraft zu entwickeln.
    Das Ding gehört nicht zu irgendeinem Klados , mit dem ich mich jemals hätte befassen müssen. Es stammt aus dem falschen Teil des Katalogs.
    Katalog. Klados. O Gott. Das ist zu viel auf einmal. Schweißnass lehne ich mich mit dem Rücken gegen das langgestreckte Fenster. Währenddessen greift das Mädchen, das mal wieder die Lotus-Position eingenommen hat, mit einer Hand nach einem Kabel und sieht erst mich und danach das elfenbeinfarbene Ungetüm mit forschendem Blick an. Keine Ahnung, was der Kleinen gerade durch den Kopf geht. Das Monster schüttelt sich und zittert so, dass es scheppernde Töne erzeugt.
    Elfenbein. Silber. Eis.
    »Der mag mich nicht«, sagt es zur Spinnenfrau. Die Stimme klingt gruselig: tief und kratzig und trotzdem irgendwie melodisch. Sie macht mir Angst.
    »Bei unserer ersten Begegnung hast du mich auch zu Tode erschreckt«, wiegelt der Gelbe ab.
    »Rede mit dem Lehrer, damit er sich beruhigt«, fordert die Spinnenfrau das Mädchen auf.
    »Scheiße«, wirft das Monster ein, geht aber nicht weiter auf das Thema ein.
    Bei mir drängen weitere Erinnerungen an die Oberfläche, weitere alptraumartige Informationen. Die Tatsache,
dass ich dieses elfenbeinfarbene Monster wiedererkannt habe, löst bei mir die ekelhafte Empfindung aus, dass ich aus zwei Menschen bestehe, die im selben Körper gefangen sind. Die Existenz dieses Monsters zählt zu den gut gehüteten dunklen Geheimnissen des Schiffes. Es ist ein sogenannter Spürhund , eine unglaublich wirkungsvolle und vielseitig einsetzbare biomechanische Waffe. Spürhunde können von fast allen Gas- oder Flüssigkeitsgemischen leben, die in fruchtbaren organischen Umgebungen vorkommen.
    Neu ist mir allerdings, dass Spürhunde auch über Sprachvermögen verfügen. Eigentlich ist das ein Ding der Unmöglichkeit und entspricht nicht ihrer Funktion. Kommunikation ist bei ihnen doch gar nicht vorgesehen. Sie sollen den Gegner lediglich aufspüren, aus dem Weg räumen, töten.
    Dieses Monster dürfte doch gar nicht hier sein!
    Erneut zittert der Spürhund so heftig, dass er scheppernde Geräusche erzeugt. Ich fürchte, dass ich ihn in Rage gebracht habe und er jeden Moment die Gestalt verändern wird. Warum hat er mich – uns alle – nicht einfach getötet, wie es seiner Funktion entspricht?
    »Können wir dem Mann vertrauen?«, fragt der Spürhund.
    »Bleibt uns denn was anderes übrig?«, gibt der Gelbe zurück.
    Das Mädchen schaut mit

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