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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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scharfem Blick von einem zum anderen, während die Spinnenfrau lediglich die Achseln zuckt.

    »Wie seid ihr alle überhaupt hierhergekommen?«, krächze ich.
    »Man hat uns hierhergetrieben, wir sind nicht unbedingt freiwillig gekommen«, erwidert die Spinnenfrau gelassen. Sie wirkt locker, hat vor keinem von uns Angst, schon gar nicht vor dem Monster. »Die Elemente haben einen Vorstoß gemacht, alle Geburtsstationen abgefackelt und danach auch die Quartiere im Achterschiff. Es gibt keine Frischlinge mehr. Wir sind die Letzten unserer Art.«
    »Wenn wir hierbleiben, werden sie uns finden«, bemerkt der Gelbe.
    Das Mädchen hangelt sich am Kabel entlang, kommt zu mir herüber und umfasst mein Handgelenk. »Ich habe gebetet, dass du kommst, und dann bist du tatsächlich aufgetaucht.«
    »Das tut sie immer «, erklärt der Gelbe trocken.
    Offenbar hat irgendetwas in meiner Miene das Interesse des Spürhunds geweckt, jedenfalls kommt er auf mich zu, während seine Klauen sich strecken und wieder zusammenziehen. Jetzt macht er mir wirklich Angst. »Du hast mich wiedererkannt, also weißt du, was ich bin«, sagt er. »Ich bin nicht einfach irgendeine beliebige Missgeburt, stimmt’s? Sag mir, was ich bin.«
    Während ich ihn mustere, glätten sich seine Wirbel, und die schimmernden blassen Muskeln über den schraubenförmigen Knochen ordnen sich neu. Mehr und mehr ähnelt dieser Spürhund einem vierbeinigen Panzertier. Einem Lebewesen, das man als Armadillo oder Gürteltier
bezeichnet. Genau: Es ist ein Armadillo mit einem abstoßenden echsenartigen Wolfskopf. Wie komme ich denn darauf? Gürteltiere, Echsen und Wölfe habe ich doch noch nie im Leben gesehen!
    »Hast du einen Namen?«, fragt mich das Panzertier.
    »Nein, kann mich an keinen Namen erinnern.«
    »Ich bin hier der Einzige, der einen Namen hat. Warum ist das so?«
    »Entschuldigung«, fährt die Spinnenfrau dazwischen. »Ich hab vergessen, euch einander vorzustellen. Lehrer, das hier ist … Tsinoy .«
    »Eigentlich dürfte ich gar nicht so aussehen«, erklärt der Spürhund. Seine Stimme klingt jetzt eine Oktave tiefer und so, als käme sie aus dem Inneren einer Höhle. »Ich sehe wirklich schrecklich aus.«
    »Das gilt auch für mich«, tröstet ihn der Gelbe.
    »Ich bin so, wie Mutter mich erschaffen hat«, wirft das Mädchen unvermittelt ein.
    »Klar doch«, erwidert der Gelbe mit nachsichtigironischer Miene, soweit man das bei den wächsernen Gesichtszügen überhaupt erkennen kann.
    »Und was ist mit dir?«, frage ich die Spinnenfrau.
    »Hab keinen Namen. Aber eines weiß ich: Am besten funktioniere ich bei geringer Schwerkraft.« Sie streckt die Arme aus. »Außerdem kenne ich mich mit den Schiffsrümpfen ziemlich gut aus. Vor allem ist mir klar, wie das Schiff mal aussehen wird, wenn sich alle drei Schiffskörper miteinander verbunden haben. Zu einer Triade.«

    »Schön für dich«, sagt der Gelbe. »Für mich ist das alles ein einziges Rätsel.«
    Als sich die Spinnenfrau dem Fenster nähert, mache ich ihr Platz, damit sie durch das frei geriebene Oval blicken und die Trümmer all unserer Hoffnungen inspizieren kann. Ihre großen Augen nehmen einen traurigen Ausdruck an.
    Währenddessen zieht mich das Mädchen zu einem großen braunen Sack – offenbar ist es ein Sessel, der sich der jeweiligen Körperform anpasst. Als ich darin versinke, kommt es mir so vor, als saugte er mich in sich ein. Sanft, aber bestimmt zwingt er mich dazu, mich zu entspannen. »Erzähl uns alles, an das du dich erinnern kannst«, fordert die Kleine mich auf. »Schließlich bist du der Lehrer.«
    »Falls du irgendetwas weißt, dann musst du es an uns weitergeben, Lehrer!«, drängt auch der Gelbe. »Wir sind wirklich wissensdurstig!«
    Ich muss heftig schlucken. Erneut habe ich das Gefühl, in zwei Personen gespalten zu sein, zwei völlig verschiedene Traumzeiten erlebt zu haben, die sich jetzt miteinander verwoben haben.
    Der Spürhund lässt mich nicht aus den Augen. Jetzt erinnert er mich an eine Katze, die einen Vogel belauert. »Wozu bin ich da?«, will er wissen. »Zu welchem Zweck wurde ich erschaffen?«
    Ich möchte seine Frage zwar nicht übergehen, ihm mit meiner Antwort aber auch nicht wehtun. Und die vagen Informationen, die ich unfreiwillig aus meinem Gedächtnis ausgegraben habe, werden uns alle
keineswegs glücklicher stimmen. Als die Spinnenfrau mein Zögern bemerkt, reicht sie mir die Wasserflasche, und ich trinke einen Schluck. »Man bezeichnet dich als

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