Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
du’s verloren!«
    »Stimmt.« Das Thema will ich nicht noch einmal vertiefen. »Aber ich hab später mein eigenes Notizbuch gefunden.« Ich hole es heraus und schlage die Seite mit der Schiffsskizze auf. Sofort rücken mir alle auf die Pelle. Nur der Spürhund hält sich im Hintergrund. Offenbar ist ihm bewusst, dass er uns selbst mit eingezogenen Wirbeln wehtun könnte.
    »Drei Schiffskörper, genau wie ihr’s in Erinnerung habt«, sage ich. »Aber wir müssen wohl erst noch mehr davon sehen, bis wir sagen können, was all das zu bedeuten hat.«
    »Genau«, meint die Kleine. »Hab ja gesagt, dass man den Lehrer nur aus der Reserve locken muss.« Keine Ahnung, warum sie dermaßen auf mich fixiert ist.
    »Ich sehe, darum bin ich«, wirft der Gelbe ein.
    »Sehr tiefsinnig. Du bist unser Philosoph«, bemerkt die Spinnenfrau mit leichtem Spott.

    Der Gelbe streckt die baumstarken Arme aus. »Nur sehen Philosophen nicht so aus wie ich. Bin aus der Art geschlagen.«
    »Willkommen im Club«, meldet sich Tsinoy.
    »Hast du das gezeichnet?«, fragt mich die Spinnenfrau und deutet auf die Schiffsskizze.
    »Nein, eine andere Version von mir. Glaube ich jedenfalls. «
    »Wie viele von dir gibt es denn?«
    »Ich hab Hunderte von Körpern wie meinen gesehen. Man hat sie eingesammelt, und jetzt lagern sie tiefgefroren im Achterschiff. In Glasvitrinen.«
    »Wie grässlich«, sagt der Gelbe. »Glücklicherweise scheint es von mir nur eine einzige Version zu geben.«
    Peinliche Stille.
    »Ich bin fix und fertig«, erkläre ich schließlich. »Kann ich irgendwo schlafen? Und gibt’s hier irgendwo was zu essen?«
    »Nur sehr wenig«, sagt die Spinnenfrau.
    »Und es wird immer weniger«, setzt der Gelbe nach. »Auf dem Weg hierher habe ich viele Leute gesehen, die aussahen, als wären sie verhungert.«
    Ich nehme noch einen Schluck Wasser. »Im Achterschiff, hinter dem Wassertank, gibt es ein Quartier, in dem eine Frau und ein Junge überlebt haben. Sie haben’s dort recht gemütlich. Jedenfalls hatte der Junge jede Menge zu essen und zu trinken. Offenbar hört das Schiff auf seine Befehle.«
    Alle blicken mich so finster an, als zweifelten sie an meinen Worten. Doch dann merke ich, dass sie wortlos
einem Mann Respekt erweisen, der dem Tod gerade noch rechtzeitig von der Schippe gesprungen ist. Mir.
    »Dort war auch ein Mädchen«, fahre ich ungerührt fort. »Das Mädchen ist als Erste gegangen, einfach verschwunden. « Ich halte kurz inne und schlucke. »Aber das warst nicht du«, sage ich zu der Kleinen.
    Der Gelbe wendet den Blick ab.
    »Wir haben von solchen Orten gehört«, erklärt die Spinnenfrau. »Wenn man sich dort wohlfühlt und deshalb bleibt, kommt es einem nach einigen Rotationszyklen so vor, als wäre man schon seit Jahren dort. Man vergisst, wer man in Wirklichkeit ist … Und dann versiegelt sich der Raum irgendwann und öffnet sich nie wieder. Es ist eine Falle. Zugleich geht dann irgendwo in einem anderen Teil des Schiffs eine Tür auf, und es passiert genau dasselbe, nur stößt es anderen Menschen zu.«
    Betretenes Schweigen.
    »Aber mich hat man ziehen lassen«, sage ich schließlich.
    »Ist ja auch nur eine Geschichte, die ich vom Hörensagen kenne«, lenkt die Spinnenfrau ein. »Unser Essen reicht noch für einige Tage, aber so viel Zeit haben wir nicht. Wir müssen einen Weg nach vorne, nach draußen finden.«
    »Einen Weg wohin?«, frage ich.
    »Kann mich nicht mehr oder noch nicht wieder daran erinnern«, sagt sie niedergeschlagen.
    »Also gut«, mischt sich der Gelbe ein. »Wenn wir jetzt nicht ausruhen, werden wir uns bald völlig verrückt
verhalten. Am besten, wir säubern uns als Erstes, essen dann einen Happen und schlafen danach in Schichten. Bis zur nächsten Phase der Schwerelosigkeit werden wir einer nach dem anderen eine zweistündige Wache übernehmen. Und dann ziehen wir los. Je weniger Gewicht wir haben, desto besser kommen wir voran, stimmt’s?« Er sieht die Spinnenfrau mit einer Miene an, die ich als unnachgiebig deute. Sie starrt ihn so lange an, bis er das Gesicht abwendet. Schließlich zuckt sie mal wieder mit den eleganten breiten Schultern und wirft sich zu voller Größe auf. »Wer übernimmt die erste Wache?«
    »Ich«, sagt der Gelbe. »Werde mit offenen Augen schlafen. Danach ist die Kleine dran. Sie ist am geräuschempfindlichsten. «
    Nachdem wir einander mit einem nassen Tuch abgerieben haben, fühlen wir uns in mehrfacher Hinsicht besser – und enger miteinander verbunden.

Weitere Kostenlose Bücher