Das Schlangennest
durch den Gang. "Joyce!" rief sie. "Joyce!"
Sie hörte ein heftiges Poltern. Es kam aus dem Zimmer ihrer Nichte. Keine dreißig Sekunden später riß sie die Tür auf. Mit der rechten Hand drückte sie auf den Lichtschalter.
Joyce saß starr in ihrem Bett. Ihre Augen waren vor weit Entsetzen aufgerissen.
"Was ist mit dir, Lovely?" fragte die junge Frau und machte e inige Schritte auf das Bett zu. Aber noch bevor sie ihre Nichte erreicht hatte, sah sie das dicke Kissen, das vor dem Bett auf dem Boden lag. Fassungslos blieb sie stehen.
Robert stolperte verschlafen in das Zimmer seiner Schwester. "Was ist denn passiert, Tante Daphne?" fragte er und rieb sich die Augen. "Ich hörte etwas Poltern. "Ich..." Er wies zu der Bodenv ase, die rechts der Verbindungstür stand. Sie war umgeworfen worden.
"Ich weiß nicht, was passiert ist", erwiderte Daphne, wen ngleich sie es ahnte. Sie setzte sich zu Joyce aufs Bett und nahm sie in die Arme. "Es ist alles gut, Lovely", versuchte sie das kleine Mädchen zu trösten. "Du mußt dich nicht fürchten."
Joyce klammerte sich an sie. Ihre Finger bohrten sich rege lrecht in Daphnes Fleisch.
"Wie kommt denn das Kissen aus dem Salon hierher?" fragte Robert erstaunt. Er hob das Kissen auf. "Hat Joyce es am Abend mi tgenommen?"
"Nein, das glaube ich nicht." Daphne atmete tief durch. "Es wird besser sein, wenn Joyce während der nächsten Zeit bei mir schläft, Bobby. Was meinst du?"
Der Junge nickte. "Dann hat sie vielleicht nicht mehr solch große Angst", sagte er. "Wenn... Vielleicht hat Nancy das Kissen mitgebracht", überlegte er laut. "Ich werde sie morgen früh fragen."
"Hat Nancy immer so einen festen Schlaf?" erkundigte sich Daphne, weil sie sich wunderte, daß die Kinderfrau nicht von dem Krach aufgewacht war. Ihr Zimmer lag auf der anderen Seite des Ganges, Joyces direkt g egenüber.
Robert lachte. "Wenn Nancy schläft, könntest du neben ihr K anonenkugeln abschießen. Sie würde nicht aufwachen." Er setzte sich neben Daphne aufs Bett. "Nimmst du Joyce gleich mit in dein Zimmer?"
"Ja, ich glaube, das ist am besten", erwiderte die junge Frau nachdenklich. "Bobby, kannst du ein paar Minuten bei deiner Schw ester bleiben? Ich muß dringend telefonieren."
"Um diese Zeit?" Robert sah sie zweifelnd an. "Mit Doktor Gregson?"
"Erraten." Sie stand auf. "Laß deine Schwester nicht aus den Augen, Bobby."
"Nein, ich werde gut auf sie aufpassen", versprach der Junge. "Geh ruhig telefonieren, Tante Daphne. Du mußt nicht in die B ibliothek hinuntergehen. In Mommys Zimmer steht auch ein Telefon."
"Ich werde vom Schlafzimmer deines Vaters aus sprechen." Daphne wollte nicht riskieren, daß ihr Gespräch wieder abgehört wurde. Sie war sich ganz sicher, daß jemand versucht hatte, Joyce mit einem Ki ssen zu ersticken.
Robert folgte ihr zur Tür. "War jemand in Joyces Zimmer?" fragte er so leise, daß es seine Schwester nicht hören konnte.
"Ja, ich glaube, jemand war bei ihr", erwiderte seine Tante. Es hatte keinen Sinn, dem Jungen die Wahrheit zu verschweigen. "Paß gut auf, Bobby. Am besten, du schließt die Tür ab. Wenn... Einen Moment!"
Sie eilte zur Verbindungstür und betrat das Zimmer ihres Ne ffen. Sehr gründlich durchsuchte sie es, schaute sogar unter Roberts Bett, aber es hatte sich dort niemand verborgen. Schließlich schloß sie die Tür zum Gang ab und kehrte zu den Kindern zurück. Es war ihr nicht wohl bei dem Gedanken, sie alleine lassen zu müssen, aber es blieb ihr nichts anderes übrig.
"Ich komme so schnell wie möglich zurück", versprach sie b esorgt. Sie warf einen letzten Blick auf die Kinder, dann ließ sie die beiden alleine. Daran, daß sie selbst in Gefahr sein könnte, dachte sie nicht einen Augenblick.
18.
"Ralph, ich weiß, was ich gesehen habe", sagte Daphne. "Diese Erscheinung war so real, so plastisch. Ich habe sie mir nicht nur eingebildet."
Dr. Ralph Gregson starrte besorgt auf das Meer hinaus. Seit ihn Daphne in der Nacht angerufen hatte, hatte er keine ruhige Minute mehr gefunden. Gleich nach Daphnes Anruf war er nach Hammond Hall gefahren und dort zusammen mit der Polizei eingetroffen. Er machte sich große Sorgen um seine Freundin und die Kinder.
"Außerdem bin ich davon überzeugt, daß es nicht dieselbe E rscheinung gewesen ist, die meine Schwester gesehen hat. Im Gegensatz zu Lauras Aussage, besaß die Gestalt, die sich gestern in meinem Zimmer manifestierte, auch keine Augen. Sie..."
"Ich will nicht abstreiten, daß du
Weitere Kostenlose Bücher