Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
sich auf ihn herab.
Die restlichen Sprünge wurden gestrichen. Wir gingen in der Menge hinaus und hielten wieder wegen Daniel die Augen offen.
»Auf dem Rückweg sollten wir nicht mehr trampen«, sagte Frank. »Mir recht«, sagte ich.
Während ich mich in der Menge auf den Ausgang zuschob, fand ich es schwer zu sagen, was aufregender gewesen war — das Wettfliegen, der Absturz des Fallschirmspringers oder diese Möse da.
19
In der fünften Klasse wurde es etwas besser. Meine Mitschüler schienen nicht mehr so feindselig eingestellt zu sein, und ich legte einiges an Körpergröße und Muskeln zu. Ich wurde immer noch in keine Mannschaft aufgenommen, aber wenigstens legte man sich nicht mehr so oft mit mir an.
Seit David mit seinen Eltern und seiner Violine weggezogen war, ging ich nach der Schule immer allein nach Hause. Oft folgten mir ein oder zwei Burschen, von denen Jüan der schlimmste war, doch sie fingen nichts an. Jüan rauchte Zigaretten. Er ging hinter mir her, paffte an einer Zigarette, und jedesmal hatte er einen anderen Kumpel dabei. Er ging mir nie alleine nach. Ich hatte ein ungutes Gefühl und wünschte mir, sie würden verschwinden. Doch im großen und ganzen ließ es mich kalt.
Ich mochte Jüan nicht. Ich mochte überhaupt keinen in dieser Schule. Sie merkten das wohl, und deshalb hatten sie etwas gegen mich. Ich mochte nicht, wie sie sich bewegten, wie sie redeten und dreinschauten, aber ich mochte ja auch nicht einmal meine Eltern. Ich hatte immer noch das Gefühl, als sei ich umgeben von großen Quadern aus weißer Luft. Und nach wie vor war mir ständig ein bißchen schlecht.
Jüan war ein dunkelhäutiger Bursche, der statt eines Gürtels eine Messingkette um den Bauch hatte. Die Mädchen fürchteten sich vor ihm, und auch die Jungs hatten Angst. Fast jeden Tag folgte er mir mit einem seiner Kumpel nach Hause. Wenn ich ins Haus ging, blieben sie draußen stehen. Jüan zog an seiner Zigarette und sah finster drein, und sein Kumpel stand daneben. Ich stellte mich hinter den Vorhang und beobachtete sie. Nach einer Weile gingen sie schließlich weg.
Mrs. Fretag war unsere neue Englischlehrerin. Als sie das erste Mal in die Klasse kam, ließ sie sich unsere Namen sagen. »Ich möchte euch erst einmal alle kennenlernen«, sagte sie mit einem Lächeln. »So«, sagte sie dann, »ich bin sicher, jeder von euch hat einen Vater. Ich denke, es wäre interessant, wenn wir erfahren würden, welchem Beruf jeder Vater nachgeht. Wir werden hier vorne mit Platz eins beginnen und dann reihum durch die Klasse. Also, Marie, was macht dein Vater?« »Er ist Gärtner.«
»Ah, das ist ein schöner Beruf! Platz zwei … Andrew, was macht dein Vater?«
Es war schauderhaft. Die Väter in meiner Nachbarschaft hatten alle ihren Job verloren. Meiner auch. Der Vater von Gene hockte den ganzen Tag auf der Veranda. Sämtliche Väter waren arbeitslos bis auf den von Chuck, der in einer Konservenfabrik arbeitete. Er fuhr einen roten Lieferwagen mit dem Namen der Firma auf der Seite. »Mein Vater ist Feuerwehrmann«, sagte Platz zwo. »Ah, das ist interessant«, sagte Mrs. Fretag. »Platz drei.« »Mein Vater ist Rechtsanwalt.« »Platz vier.«
»Mein Vater ist äh … Polizist.« Was sollte ich sagen? Vielleicht waren nur die Väter in meiner
Nachbarschaft arbeitslos. Ich hatte vom großen Börsenkrach gehört. Das hatte etwas
Schlimmes zu bedeuten. Aber vielleicht war die Börse nur in unserer Gegend eingebrochen?
»Platz achtzehn …«
»Mein Vater ist Filmschauspieler.«
»Neunzehn …«
»Mein Vater ist Konzertgeiger.«
»Zwanzig …«
»Mein Vater arbeitet im Zirkus.«
»Einundzwanzig …«
»Mein Vater ist Busfahrer.«
»Zweiundzwanzig …«
»Mein Vater singt in der Oper.«
»Dreiundzwanzig …«
Dreiundzwanzig. Das war ich. »Mein Vater ist Zahnarzt«, sagte ich.
Mrs. Fretag machte die ganze Klasse durch, bis sie zur Nummer 33 kam. »Mein Vater ist arbeitslos«, sagte Nummer 33. Scheiße, dachte ich, war mir das doch selber eingefallen …
Eines Tages gab uns Mrs. Fretag eine Hausarbeit auf. »Unser verehrtes Staatsoberhaupt, Präsident Herbert Hoover, wird am Samstag nach Los Angeles kommen und eine Ansprache halten. Ich möchte, daß ihr alle hingeht und euch die Rede unseres Präsidenten anhört. Und ich möchte, daß ihr anschließend einen Aufsatz darüber schreibt und eure Eindrücke schildert und was ihr von Präsident Hoovers Rede haltet.«
Samstag? Da konnte ich unmöglich hin. Da mußte ich
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