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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Reagenzglas. Ich dachte eine Weile darüber nach und beschloß, es auch mal zu versuchen. Mein Ding wurde steif, und es war ein recht gutes Gefühl. Es fühlte sich immer besser an, ich machte weiter, und es war ein Gefühl, wie ich es noch nie erlebt hatte. Dann spritzte mir tatsächlich auch solcher Saft vorne raus. Danach machte ich es dann öfter. Es wurde noch besser, wenn man sich dabei vorstellte, daß man es mit einem Mädchen machte.
    Eines Tages stand ich wieder mal an der Seitenlinie und sah zu, wie unser Team einen Gegner zur Schnecke machte. Ich paffte heimlich eine Zigarette. Neben mir standen zwei Mädchen und sahen ebenfalls zu. Unsere Jungs sprachen den nächsten Spielzug ab und gingen auf ihre Positionen. Da sah ich unseren Sportlehrer, Curly Wagner, auf mich zukommen. Ich ließ die Zigarette fallen und klatschte in die Hände. »Schmeißt sie auf den Arsch, Jungs!«
    Wagner kam her, blieb vor mir stehen und starrte mich an. Ich hatte mir inzwischen einen finsteren Gesichtsausdruck zugelegt.
    »Ich krieg euch noch alle dran!« sagte Wagner. »Und dich ganz besonders!«
    Ich wandte den Kopf etwas zur Seite, streifte ihn mit einem gleichgültigen Blick und sah wieder weg. Wagner blieb stehen und starrte mich noch eine Weile an. Dann ging er weg. Das tat mir gut. Es gefiel mir, daß er mich als üblen Burschen ansah. Das kam mir sehr entgegen, denn ich fühlte mich auch so. Ein braver Junge konnte jeder sein. Das erforderte kaum Mumm. Dillinger hatte Mumm. Und Ma Barker war ein Prachtweib. Sie brachte diesen ganzen Jungs bei, wie man mit einer Maschinenpistole umging. Ich wollte nicht wie mein Vater sein. Der tat nur so, als sei er gefährlich. Wenn man es wirklich war, brauchte man sich nicht zu verrenken. Man hatte es einfach. Es tat mir gut, einer von der üblen Sorte zu sein. Streber machten mich krank.
    Das Mädchen neben mir sagte jetzt: »So was brauchst du dir von Wagner nicht gefallen zu lassen. Oder hast du Angst vor ihm?«
    Ich drehte mich zu ihr um und sah sie an. Ich starrte sie eine ganze Weile an und regte keinen Muskel.
    »Was ist denn mit dir los?« fragte sie.
    Ich wandte mich ab, spuckte auf den Boden und ging weg. Langsam schlurfte ich am Spielfeld entlang, ging aus dem hinteren Tor und machte mich auf den Weg nach Hause.
    Wagner lief immer in einem grauen Trainingsanzug herum. Er hatte einen deutlichen Bauchansatz. Und ständig fand er etwas an uns auszusetzen. Das einzige, was er uns voraus hatte, war sein Alter. Dauernd gab es irgendeinen, der mich keilte, ohne ein Recht dazu zu haben. Wagner. Mein Vater. Mein Vater und Wagner. Was wollten die? Warum war ich ihnen im Weg?

    22

    Eines Tages hängte sich ein Junge an mich, genau wie David in der Grundschule. Er war klein und dürr und hatte oben auf dem Kopf kaum noch ein Haar. Die Jungs riefen ihn »Baldy«. Mit richtigem Namen hieß er Eli LaCrosse. Sein Name war das einzige, was mir an ihm gefiel. Er hing einfach an mir wie eine Klette. Ich brachte es nicht fertig, ihn wegzujagen. Er war so arm dran wie ein getretener und halb verhungerter Straßenköter. Mir war nicht wohl dabei, ihn am Hals zu haben. Aber ich wußte, wie man sich als Straßenköter fühlt. Also ließ ich ihn eben. Er brachte fast in jedem Satz mindestens einen unanständigen Ausdruck unter, aber das war nur Theater. Er war nicht ruppig. Er war ein Angsthase. Ich war keiner, aber ich war unsicher und durcheinander. Also gaben wir vielleicht doch ein gutes Paar ab.
    Nach der Schule ging ich jeden Tag mit ihm nach Hause. Außer seinen Eltern wohnte auch noch sein Großvater im Haus. Es war ein kleines Haus, gegenüber von einem kleinen Park. Ich mochte die Gegend, vor allem die großen schattigen Bäume dort. Manche hatten mir schon zu verstehen gegeben, daß ich häßlich sei, deshalb hielt ich mich lieber im Schatten als in der Sonne auf.
    Auf dem Nachhauseweg hatte mir Baldy einiges von seinem Vater erzählt. Der war Arzt
gewesen, ein erfolgreicher Chirurg, aber er hatte seine Lizenz verloren, weil er zu sehr zur
Flasche griff. Eines Tages lernte ich den alten Herrn kennen. Er saß in einem Lehnstuhl unter
einem Baum. Hockte nur so da.
»Dad«, sagte Baldy, »das ist Henry.«
»Hallo, Henry.«
    Ich fühlte mich erinnert an die erste Begegnung mit meinem Großvater, wie er da auf den Stufen vor seinem Haus gestanden hatte. Baldys Vater hatte zwar schwarzes Haar und einen schwarzen Bart, aber seine Augen waren genauso - hell und glänzend, irgendwie eigenartig.

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