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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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dieser Zeit noch auf der
sogenannten Stallaltane des Hotels halten. Zum Glück kümmerten sich auch zwei
Nachbarskinder um sie, sonst hätten die armen Tiere manchmal hungern müssen, da
ich eine Viertelstunde entfernt wohnte. Als meine Umsiedlung nach Isny kam,
baute ich eine Transportkiste für meine Kaninchen und brachte mit Hilfe eines
Freundes mein Hab und Gut zum Bahnhof. Die Koffer wurden aufgegeben, die
Transportkisten mit den Kaninchen nahm ich mit ins Abteil. Da der Zug damals
zwischen Kempten und Isny an sechzehn Stationen einen ausgiebigen Halt machte,
damit Milchkannen, Haustiere und andere landwirtschaftlichen Produkte ein- und
ausgeladen werden konnten, dauerte die Reise auf dieser Strecke von 40 km zwei
bis zweieinhalb Stunden. Nun kann man einem Dutzend Kaninchen nicht zumuten,
mehrere Stunden absolut dicht zu halten, und die Saugfähigkeit der
Strohunterlage hatte auch ihre Grenzen. Die Tiere waren, bis der Zug abfuhr,
schon zwei Stunden in ihrer Kiste eingesperrt und hatten schon einen Teil des
mitgeführten Wassers getrunken. Solange nun der Zug in der Ebene des Illeroder
Rottachtales fuhr, ging alles noch gut, aber hinter Ermengerst kam der steile
Anstieg nach Buchenberg, und aus dem Abteilboden wurde eine schiefe Ebene. Zu
allem Unglück hatte ich meine Kaninchen an der Stirnseite des Wagens unter der
vordersten Sitzbank plaziert. Deshalb lief die von den Hasen reichlich
gespendete Flüssigkeit nach hinten. Auch das ging noch einigermaßen gut,
solange die Bahnlinie eine große Linkskurve machte, denn ich hatte die Kiste
auf der linken Seite abgestellt. Aber schon bei der ersten Rechtskurve neigte
sich der Wagen stark nach rechts, und eine feuchte Spur lief diagonal durch den
Wagen. Zum Glück waren alle Fahrgäste Einheimische, die für den Vorgang volles
Verständnis hatten. Zum Eklat kam es erst, als der Schaffner auf die feuchten
Spuren aufmerksam wurde, mit dem Zeigefinger hineinlangte, daran roch und mit
den Worten »ja was für eine Sau hat denn...« einen häßlichen Verdacht
aussprach. Um diesen Verdacht zu entkräften, mußte wohl oder übel die Ursache
der Befeuchtung erklärt werden. Ich wurde daraufhin über die
Beförderungsbedingungen aufgeklärt und darauf hingewiesen, daß Tiere jeder Art
nur im Viehwagen befördert werden dürfen. Da dies aber mit Kosten verbunden war
und ich auf meine Mittellosigkeit hinwies, hatte der Schaffner ein Einsehen.
Ich durfte die Kiste auf der hinteren Plattform abstellen, wo die Kaninchen
dann auch die Fahrt wohlbehalten überstanden haben.
    In Isny angekommen, erwarteten mich
zuerst einmal die großen Ferien. Ich benützte sie in erster Linie dazu, die
Umgebung gründlich zu erforschen. Bald danach kannte ich mich in sämtlichen
Seen und Tümpeln der Umgebung, was ihre Flora und Fauna betraf, bestens aus.
Ich wußte, in welchen Bächen es die schönsten Krebse gab, und von einem neuen
Freund lernte ich das Forellengreifen. Leider durfte ich die Fische nicht nach
Hause bringen, und so konnte ich sie nur wieder in den Bach werfen, denn sie zu
verschenken, war mir zu riskant.
     
     
     

»Patschnaß, hurra«
     
     
    Damals wurde in Isny ein Schwimmclub
gegründet, dessen Mitglieder sich mit dem Schwimmergruß »Patschnaß, hurra«
begrüßten. Dieser nützliche Verein stellte Umkleideräume in Form von
Blockhütten am Holzweiher auf. Allerdings waren die Hütten für Frauen und Mädchen
etwa hundert Meter von denen für Männer und Knaben entfernt, aber im Wasser kam
man zusammen. Ja beide Geschlechter wagten sich schon gemeinsam auf das in der
Mitte des Sees verankerte Floß.
    Um Geld in die Vereinskasse zu bringen,
wurde ein Waldbadfest veranstaltet mit tollen Glanznummern, als deren einsame
Spitze ein mit Ketten gefesselter Schwimmer vom Dreimeterturm in den See
sprang. Aber der arme »Kettenwasserspring- und Schwimmkünstler« wurde um seine
Schau schamlos betrogen. Und das kam so. Schon lange vor Beginn der
Veranstaltung hatte ein Vereinsmitglied, der »schöne Bogumil«, während wir
anderen alle für das Gemeinwohl schufteten, in höchst selbstsüchtiger Weise
seine Hängematte am schönsten Platz, dicht über dem Wasser an zwei
überhängenden Bäumen befestigt. Während der Vorführungen räkelte er sich mit
blasiertem Lächeln in luftiger Höhe und spendete herablassend verhaltenen
Beifall. Das war entschieden mehr, als die feurigen Jünger des nassen Elements
ertragen konnten. Auch das 16° kalte Wasser konnte die Zornesglut der

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