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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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ebenso bierehrlicher
Student wie seine Bundesbrüder.
    Nach einigen Semestern, als ich die
allgemeinen Übungen und Vorlesungen besucht hatte, hielt ich es an der Zeit,
mich um eine Doktorarbeit zu bemühen und wandte mich an den Ordinarius für
Botanik, Professor Lehmann. Mit Rücksicht auf meine gartenbauliche Vorbildung
betraute er mich mit Versuchen über die Kulturbedingungen der Insektivoren, das
sind fleischfressende Pflanzen. Das war ein Thema, das meinen Freunden
offensichtlich wesentlich mehr Spaß machte als mir selbst, denn zu jedem nur
erdenklichen Festtag bekam ich Spinnen, Fliegen und alle möglichen und
unmöglichen Insekten für meine »grünen Lieblinge« geschenkt. Mein Doktorvater
erhoffte sich von dieser Untersuchung auch Aufschluß über die Frage, warum
diese Pflanzen in seinem Botanischen Garten nicht wuchsen. Zur allgemeinen
Überraschung wuchsen sie in meinen Versuchskulturen ganz ausgezeichnet. Aber
gerade das war mein Pech. Ich konnte machen, was ich wollte, bei allen
Versuchsanordnungen, die ich endlos variierte, gediehen sie gleich gut. Mit
anderen Worten, ich konnte keine nachweisbaren Unterschiede aufzeigen. Ich
konnte nur beweisen, daß die Pflanzen auf das Bodenmilieu verschieden
reagierten. Aber das wußte man schon vorher, daß sie mit Vorliebe in saurem Boden
gedeihen.
    Das ganze Geheimnis ihrer Aufzucht war
die sorgfältige Pflege. Das konnte natürlich nicht der Gegenstand einer
wissenschaftlichen Arbeit sein.
    Der Hauptgrund, die Arbeit zu beenden,
war, daß die Zeit immer kritischer wurde. Die Arbeitslosigkeit nahm Ende der
zwanziger Jahre auch unter den Akademikern zu, und ich erkannte rechtzeitig,
daß ein Heer von Naturwissenschaftlern in den folgenden Jahren examensreif war.
Ich hielt es für klüger, sobald als möglich Examen zu machen und beendete mit Einverständnis
meines Professors im Sommersemester 1930 meine Arbeit als Zulassungsarbeit, mit
dem Vorbehalt, sie später als Doktorarbeit auszubauen. Dazu kam es aber nicht
mehr, da mich die Tätigkeit in der Wilhelma und den anderen Gärten derart
ausfüllte, daß ich gar nicht mehr auf den Gedanken kam, diese wenig
erfolgversprechende Arbeit noch einmal hervorzuholen.
    Zum Endspurt wechselte ich nochmals von
Tübingen an die TH in Stuttgart, um die letzten zwei Semester dort zu
verbringen. Mir lag hauptsächlich daran, daß mich die Ordinarien der
Naturwissenschaften kennenlernten, da das Examen äußerst schwierig zu werden
versprach. Trotz der Examensvorbereitungen wurden es noch zwei schöne Semester
mit meinen Bundesbrüdern und einigen Studienfreunden, die sich gleich mir auf
das Examen vorbereiteten. Mit ihnen schloß ich mich zu einer
Studiengemeinschaft zusammen, bei der wirklich intensiv gearbeitet wurde.
Leider war ich der einzige, der die Prüfung auf Anhieb bestand, die anderen
machten anschließend eine Drogistenlehre und gründeten oder übernahmen eine
Drogerie. Es ging ihnen freilich später wirtschaftlich besser als denen, die
das Examen bestanden hatten.
    Während dieser beiden letzten Semester
in Stuttgart hatte ich eine Bleibe auf der Mönchhalde gefunden. In dem Haus, in
dem ich wohnte, befand sich zu ebener Erde eine Wirtschaft, der Mönchhaldenhof,
in dem es einen vorzüglichen Most gab. Wir nannten ihn 10-Pfennig-Riesling,
weil ein großes Glas dieses wohlschmeckenden Getränkes die bescheidene Summe
von 10 Pfennigen kostete. Ich benutzte ihn des öfteren als Stärkungsmittel bei
der ungeliebten und öden Arbeit der Examensvorbereitung. Ich liebte die
Wissenschaft, aber das In-sich-Hineinfressen von Lehrstoff, den man im
richtigen Augenblick möglichst unverdaut aber wortgetreu wieder herauswürgen
mußte, war mir in der Seele ebenso zuwider, wie das Exerzieren auf einem
Kasernenhof.
    Ich war deshalb froh, als die Prüfung
begann. Etwa 40 Kandidaten hatten eine Zulassungsarbeit eingereicht, etwa 30
davon stiegen ins Examen. Nach der schriftlichen Prüfung traten eine Anzahl
zurück, nach der mündlichen Prüfung hatten zehn bestanden, darunter sieben
männliche Kandidaten, außerdem hatten einige einen Schwanz, das heißt, sie
mußten ein Fach im folgenden Jahr wiederholen.
     
     
     

Der Kandidat und die
Alpenfaltung
     
     
    Ich gehörte zu den zehn Glücklichen,
die das Staatsexamen bestanden. Wir wurden der Wilhelmsoberrealschule in
Stuttgart als Studienreferendare zur Ausbildung zugeteilt. Zwar hatten wir
unser Examen nur in Botanik, Zoologie, Chemie, Geologie und Geographie abgelegt
und

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