Das Schlitzohr
die Instandsetzung des Wintergartens. Dank des Verständnisses
des Staatlichen Hochbauamts und der freudigen Mitarbeit des örtlichen
Bauinspektors Seifried war es möglich, unter Wiederverwendung der alten
Gußeisenkonstruktion eine große, lichte Halle aufzurichten, deren Scheitelhöhe
wesentlich gehoben werden konnte. Trotzdem standen die acht Säulen der alten
Gußeisenkonstruktion äußerst störend im Raume. Ich schlug deshalb vor, die
Säulen in einem dunklen Grün zu streichen und die waagrechten
Konstruktionsteile, die sich gegen den Himmel abhoben, in einem beinahe weißen
Steingrau zu halten. Dann pflanzten wir die schweren und massigen Phönixpalmen
und andere blätterreiche Exoten möglichst weit an den Rand des Gewächshauses.
Die eleganteren Palmenarten mit ihren schlanken Stämmen ordneten wir um fünf
der Säulen an, so daß diese als weiter tragendes Element mit den Stämmen
mitschwingen konnten. Vor eine der restlichen Säulen setzten wir die mächtigste
Phönixpalme.
Ein großer Teil dieser Palmen stammte
aus dem reizvollen Stadtgarten von Lahr. Sie waren der Wilhelma vom
Oberbürgermeister der Stadt Lahr auf Veranlassung des Gartenamtsleiters
Brennemann zum Wiederaufbau gestiftet worden. Es war nicht nur ein großzügiges,
sondern auch ein großes Geschenk im wahrsten Sinne des Wortes, denn wir
brauchten zwei Lastzüge, um diese Spende in die Wilhelma zu befördern.
Die Königin der
Nacht und das Straußen-Rührei
Im Jahr 1952 sollte auch wieder ein
großer Festzug zum Wasen anläßlich der Volksfesteröffnung stattfinden. Auch die
Wilhelma wurde aufgefordert, sich mit einem Wagen zu beteiligen. Ich ließ zu
diesem Zweck von einem jungen Bildhauer einen mächtigen Elefanten nachbilden,
der auf einem großen Plattenwagen stand. Tagelang schlich ich um den werdenden Elefanten
herum. Ich war einfach unbefriedigt von dem Gedanken, daß wir lediglich dieses
tote Stück durch die Straßen schleppen sollten; mir fehlte einfach der Pfiff an
der Geschichte. In letzter Minute kam mir die rettende Idee. Ich ließ
Gasflaschen auf dem Boden des Wagens montieren und führte von den Flaschen
durch die Hinterbeine Druckschläuche in das Innere des Elefanten. Im Inneren
des Elefanten steckten zwei Männer, die Luftballonhüllen über die Ventile der
Schläuche zogen und sie am Hinterteil des Elefanten ins Freie entließen. Der
Erfolg war durchschlagend. Gespannt verfolgten die Zuschauer das Entstehen
eines Ballons oder gar einer Riesenwurst am Allerwertesten des Dickhäuters.
Dieser Elefant war der absolute Star
des Festzugs und keine württembergische Zeitung versäumte es, ein Bild von ihm
zu bringen.
Damit sind wir zu einem wichtigen
Kapitel in der Geschichte der Wilhelma gekommen, nämlich zu dem Kapitel
Werbung. Die Werbung war für uns ebenso wichtig wie die richtige Planung von
Ausstellungen oder die Tier- und Pflanzenbeschaffung. Wir machten Werbung durch
Plakate, Prospekte, Aufkleber, Rundschreiben, Anzeigen und ähnliches mehr, aber
den Ausschlag gaben die Veröffentlichungen in der Presse und im Rundfunk. Hier
muß ich sagen, daß die Wilhelma bei den verschiedenen Medien wahre Freunde
besaß. Vor allem von den Stuttgarter Tageszeitungen wurde die Wilhelma in einer
überaus wohlwollenden Weise behandelt und in zahllosen Artikeln besprochen. So
haben die Presse, der Hörfunk und das Fernsehen einen ganz entscheidenden
Anteil an der Entwicklung des Zoos in der Wilhelma.
Die Presse stets mit so aktuellen
Nachrichten zu versorgen, daß sie auch veröffentlicht wurden, war gar nicht
einfach. Man bedenke, daß ich während der 37 Jahre, in denen ich die Geschicke
der Wilhelma leitete, jede Woche mindestens eine Pressemeldung herausgab.
Manchmal mußte ich schon kräftig am Federhalter saugen, um Pflanzen und Tiere
der Wilhelma publizistisch an den Mann zu bringen. In der sogenannten
Sauregurkenzeit ging es ja noch, aber wenn sich die politischen Ereignisse
überstürzten und die Medien Stoff in Hülle und Fülle hatten, konnte man nur mit
wirklich interessanten Nachrichten landen. Deshalb durfte man sein Pulver nicht
sinnlos verschießen und nicht zu viele attraktive Tatsachen in einen Artikel
hineinpacken.
Von Anfang an hatten wir auch Wert
darauf gelegt, daß unsere Pressekonferenzen eine persönliche Note hatten.
Sobald der Wintergarten wiederaufgebaut war, fanden sie bei Kerzenlicht unter
Palmen statt. Es gab dazu zwei württembergische Spitzenweine, Eilfinger Berg
und
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