Das Schlitzohr
vorstellen konnte, daß ein Mensch aus anderen Gründen als zu
seinem Vergnügen an die Cote d’Azur reist.
Da ich bei meinem Düsseldorfer Kollegen
im Wort stand, blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Mitarbeiter Jocher,
den ich bei dieser Fahrt gleichfalls mitnehmen wollte, allein mit dem Kombi
loszuschicken. Das war natürlich wieder eine Überschreitung meiner Kompetenzen,
aber sie wurde ja erst später bemerkt.
Die Fahrt verlief glänzend. Herr
Jocherbrachte so viel interessantes Meeresgetier mit, daß wir die
Aquarienbecken eines ganzen Gewächshauses füllen konnten. Die Zeitungen des
ganzen Landes berichteten begeistert davon, so daß das Ministerium lediglich
anfragte, ob ich gegen den eindeutigen Erlaß an dieser Expedition teilgenommen
hätte. Als ich das wahrheitsgemäß verneinte, ließ man die Sache auf sich
beruhen. Aber die Aquarien waren gefüllt, und die Besucher strömten, und das
war letztendlich die Hauptsache.
Vom Geschäft mit
Tieren
Da ich laut ministerieller Entscheidung
an der Fangfahrt nicht einmal auf eigene Kosten teilnehmen durfte, beschloß
ich, da bereits alles für meine Abwesenheit vorbereitet war, Urlaub in Italien
zu machen und den Mailänder Zoo anzusehen. Das war ein privater Zoo, und seine
Besitzer nutzten ihre guten Verbindungen sehr geschickt, um einen äußerst
schwunghaften Tierimport für Europa zu betreiben. Als ich diesen Zoo besuchte,
waren gerade drei herrliche Grevyzebras angekommen, ein männliches und zwei
weibliche Tiere. Diese Zebraart ist nicht nur die seltenste, sondern auch die
schönste. Deshalb waren wir trotz des hohen Preises schnell handelseinig.
Diesen Kauf sollte ich nie bereuen, denn daraus entwickelte sich in der
Wilhelma die erfolgreichste Zucht von Grevyzebras in Europa.
Bei meiner Rückkehr lag ein interessantes
Angebot aus Holland vor. Baldmöglichst fuhr ich deshalb nach Tilburg zu den
Tierhändlerfamilien van Dijk. Diese Familie hatte ursprünglich nur einen
Vogelhandel betrieben. Nach dem Kriege hatte sie einen bestehenden Zoo in
Tilburg gekauft und nutzte gleichfalls die Gelegenheit, am Säugetierimport zu
verdienen. Als ich in der van Dijk’schen Tierhandlung eintraf, staunte ich
nicht schlecht.
In zwei Häusern, von denen jedes sechs
Vierzimmerwohnungen Raum geboten hätte, waren weit über hunderttausend Vögel
der verschiedensten Arten untergebracht, darunter Zehntausende von Papageien.
Da in Deutschland ein Einfuhrverbot für Papageien wegen der Papageienkrankheit
bestand, wurden diese Vögel über die grüne Grenze geschmuggelt. Das ging
folgendermaßen vor sich: Die Großpapageien bekamen Schnaps in ihren Wassernapf,
davon wurden sie betrunken und machten, während sie ihren Rausch ausschliefen,
keinen Lärm.
Bei den Sitticharten wurde ein anderes
Verfahren angewendet. Man steckte sie in Damenstrümpfe und machte über jeden
Vogel einen Knoten, so daß der Strumpf den Vogel dicht umschloß. Dadurch
bekamen die Vögel Angst, stellten sich tot und verrieten ihre Anwesenheit nicht
durch das sonst übliche Gekreische. Die Schmuggler hängten sich die Strümpfe
einfach über die Schultern und konnten dadurch unter ihrem Mantel jedesmal bis
zu 40 Vögel transportieren. Da die Papageien in Deutschland das Vierfache als
in Holland kosteten, war dies ein lukratives Geschäft.
Durch die zahlreichen Tierkäufe kam ich
mit vielen Tierhändlern in Berührung. Diese Männer verfügten teilweise über
ganz erstaunliche zoologische und tiermedizinische Kenntnisse. Das war auch
dringend nötig, da sich ohne diese Kenntnisse kein Tierhändler auf die Dauer
halten kann. Vor dem letzten Krieg befand sich der Tierhandel fest in deutscher
Hand. Die bekanntesten Vertreter waren Hermann Ruhe in Ahlfeld, Hagenbeck in
Hamburg und im süddeutschen Raum Eugen Mohr in Ulm. Die Firma Ruhe war aus
einer Kanariengroßhandlung hervorgegangen. Sie kaufte jährlich über 100 000
Kanarienhähne im Harz auf und exportierte den größten Teil nach Amerika.
Allmählich hatten sie sich immer mehr auf den Großtierhandel verlegt und
entsprechende Stallungen, Gehege und Käfige gebaut. Wie groß diese Anlagen in
Ahlfeld waren, zeigt die Tatsache, daß vor dem Krieg hier einmal 100
Menschenaffen auf ihre Käufer warteten.
Der Rückhalt der Firma Hagenbeck waren
der berühmte Park in Stellingen und der Zirkus. Um die Jahrhundertwende bis zu
den Weltkriegen führte diese Firma großartige Fangexpeditionen in tropische
Länder durch. Auch nach dem
Weitere Kostenlose Bücher