Das Schlitzohr
alte
Binsenweisheit: »Der Teufel steckt im Detail.« Gerade in der Zeit nämlich, als
das neue Aquarium entstand, begann die große Zeit der Kunststoffe. Leider waren
viele noch nicht erprobt und man erlebt heute noch manche Überraschung. Es war
ein Glück, daß sich Dr. Neugebauer mit großer Akribie in die Details
einarbeitete, und es ist dem Gespann Neugebauer-Schmidberger zu verdanken, daß
dieses Haus bis heute unübertroffen ist.
Im nördlichen Teil werden die Tiere der
kalten und der temperierten Zone gezeigt. Damit das Interesse der Besucher
nicht erlahmt, werden sie nun in die Terrarienabteilung geführt, deren
Höhepunkt die Krokodilhalle ist. Erst dann betritt man den zweiten
Aquarienteil, in dem man die Fische der tropischen Gewässer bewundern kann. Die
größte Kostbarkeit des Aquariums, die Fische des Korallenmeeres, erwartete die
Gäste ganz zum Schluß. Als besondere Auflockerung sind Klimalandschaften
eingefügt, die dem Besucher klarmachen, daß das Leben innerhalb und außerhalb
des Wassers eine Einheit bildet, wenn sich auch zwei Welten gegenüberstehen.
Die Bauzeit des Aquariums dauerte vier
Jahre. Eine kurze Zeit, wenn man an die technische Einrichtung und die
Schwierigkeiten denkt, die durch den Baugrund bedingt waren. Wir befanden uns
hier in einem Sumpfgelände, das durch Travertinschichten, als Quellablagerung,
unterbrochen wird. Durch diesen Sumpf war eine Pfahlgründung nötig. Da wir uns
jedoch im Schutzgebiet der Cannstatter Quellen befanden, durfte auf keinen Fall
gerammt werden. Die Pfähle wurden deshalb in die Erde gebohrt. Das war
umständlich und zeitraubend.
Eine weitere Verzögerung brachte die
Lieferung des selbstschattierenden Glases für die Krokodilhalle. Dieses Glas
besteht aus zwei Gläsern, zwischen denen sich eine dünne Schicht befindet, die
sich bei einer bestimmten Temperatur milchig trübt und dadurch die Pflanzen vor
dem Verbrennen schützt. Es war dann auch ein besonderer Tag in der Geschichte
der Wilhelma, als dieses Aquarium am 27. April 1967 eröffnet wurde.
Das Staunen war allgemein. Das
Zusammenwirken von Zoologie und Botanik wurde bei uns erwartet. Aber diese
Erwartungen konnten wir jedoch durch die Krokodilhalle und die
Klimalandschaften weit übertreffen. Als wir die Festgäste aus dem Schaubereich
hinter die Kulissen führten, war die Überraschung perfekt. Selbst die
gewiegtesten Fachleute gaben zu, daß sie in keinem Aquarium eine so ausgefeilte
Technik erlebt hätten. Den größten Eindruck machte natürlich auf die
Nichtfachleute unter den Ehrengästen das Gewirr von Leitungen, Kabeln und
Apparaturen; erinnerte es doch mehr an ein Chemiewerk als an ein Aquarium.
Uneingeschränkte Bewunderung rief bei
den Laien das Rundum- oder Arenabecken hervor. Es handelt sich dabei um ein
Becken, das rings von Glasscheiben umschlossen ist. Damit es gereinigt werden
kann, befindet sich in seiner Mitte eine Insel, zu der man in ihrem Inneren wie
im Turm eines U-Bootes über eine Leiter hinaufsteigt. Der Finanzminister war
bereit, mit uns in diesen Turm einzusteigen und staunte nicht schlecht, als er
rings von Wasser umgeben war. Er fragte: »Wo sind denn da die Besucher?« Wir
deuteten nach unten, aber er sah nur Wasser und Fische und konnte es nicht
glauben, daß dies nur eine Spiegelung der Glasscheibe war. Seine nächste Frage
war: »Ja, können denn die Leute mich sehen?« Als ich das verneinte, aber
erklärte, wenn der die Hand ins Wasser strecke und Daumen und Zeigefinger
reibe, wüßten die Besucher bestimmt, daß der Finanzminister im Kommandoturm des
Aquariums stünde, schickte er seinen Referenten extra in den Besucherraum,
damit er unsere Behauptung kontrolliere. Als dieser die Tatsache bestätigte,
meinte er nur kopfschüttelnd: »Was send ihr bloß für Kerle?« Das Urteil der
Fachwelt über dieses Aquarium kommt am besten zum Ausdruck in einem Satz, den
ein begeisterter Kollege in seinem Artikel in der Fachpresse schrieb: »Mit
diesem Aquarium hat die Wilhelma neue Maßstäbe in der Aquaristik gesetzt.«
Die
Menschenaffenluxusbaracke und andere Wohnungsprobleme
Während dieser turbulenten Zeit des
Aquariumbaues war natürlich auch sonst allerhand passiert. Wie ich bereits berichtet
habe, besaßen wir beim Umzug neben Schimpansen auch schon Orang-Utans. Infolge
unserer drangvollen Enge ließ ich mich jedoch von meinen Mitarbeitern
überreden, keine neuen Tiere mehr zu kaufen und damit noch bis zum Bau eines
Menschenaffenhauses
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