Das Schloss am See: Mittsommerherzen (German Edition)
Gespräch. Im Grunde konnte er es sich überhaupt nicht leisten, einen Detektiv zu engagieren. Auf der anderen Seite kam es darauf nun auch nicht mehr an. Wenn Lennartsson ihm Ergebnisse lieferte, dann wusste er zumindest, woran er war. Und ob es überhaupt noch eine Chance gab, das
Alsterblick
zu retten.
Ganz wohl fühlte er sich bei der Sache allerdings nicht – vor allem wegen Lisbet.
Üblicherweise war es nicht seine Art, in der Vergangenheit anderer Menschen herumzuwühlen. Doch angesichts der aktuellen Situation blieb ihm kaum etwas anderes übrig. Zwei der wichtigsten Lektionen, die er von seinem Vater gelernt hatte, lauteten:
Wissen ist Macht
und
Kenne deinen Gegner
.
Es gab nicht viele Punkte, in denen er mit Richard Westenberg übereinstimmte – in diesen jedoch schon.
5. KAPITEL
D ie tief stehende Sonne färbte den Himmel über den Hügeln in ein leuchtendes Purpurrot, das zuerst in kräftiges Rosa und schließlich in zartes Violett überging, bis es mit dem Blau des Abendhimmels verschmolz.
Obwohl es bereits spät war – schon fast elf – war es immer noch hell genug, dass man draußen lesen und arbeiten konnte. Mit einem Glas Rotwein und ihrer alten Gitarre saß Lisbet am Gartentisch im Innenhof des Schlosses.
Sie hatte vor ein paar Wochen wieder damit begonnen, an einem Song zu schreiben. Allerdings nicht weil sie hoffte, jemals wieder auf der Bühne zu stehen. Es war einfach nicht mehr so wie früher, als ihr die Melodien und Texte förmlich zugeflogen waren. Dennoch empfand sie das Komponieren immer noch als sehr beruhigend und entspannend.
Heute jedoch wollte es ihr einfach nicht gelingen, sich auf die Musik zu konzentrieren. Denn immer wenn sie die Augen schloss, musste sie daran denken, wie wunderbar es sich angefühlt hatte, Hannes’ Lippen auf ihrem Mund zu spüren.
Schluss damit!
Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. Was war bloß mit ihr los? Seit der Geschichte mit Ruben hatte sie nicht mehr das Verlangen verspürt, einem Mann auch nur nahezukommen. Nein, das hatte er ihr wahrlich mit Bravour ausgetrieben! Aber vielleicht war ja auch genau das der Grund dafür, dass sie sich plötzlich ausgerechnet zu Hannes hingezogen fühlte.
Ihre Hormone spielten verrückt, so einfach war das – oder?
Seufzend fuhr sie sich durchs Haar. Ganz gleich, woher diese Gefühle auch rühren mochten, sie kamen ihr höchst ungelegen. Sie brauchte einen klaren Kopf, wenn sie es schaffen wollte, Beringholm Slott zu halten. Das Problem war nur: Sie hatte absolut keine Idee, wie sie das anstellen sollte. Ihre einzige Chance bestand darin, Hannes von der Wichtigkeit ihrer Arbeit zu überzeugen, bevor er einen Interessenten für das Schloss fand – oder gar an Kristof Steen verkaufte!
Denn so ungern sie es sich auch eingestehen mochte, er allein hielt nun die Zügel in der Hand. Hilda hatte ihm Beringholm Slott vererbt. Und wenn er mich loswerden will, dann steht es ihm frei, mich nach Belieben vor die Tür zu setzen, dachte Lisbet traurig. Im Augenblick schützte sie nur ihre Behauptung, dass eine schriftliche Vereinbarung zwischen Hilda und ihr existierte, doch damit würde sie nicht auf Dauer durchkommen. Sie musste sich dringend eine andere Strategie ausdenken. Bisher hatte sie allerdings nicht das Gefühl, dass Hannes sich besonders für ihr soziales Engagement interessierte.
Sie legte die Gitarre beiseite und versuchte noch einmal, sich auf den Song zu konzentrieren, den sie bisher zu Papier gebracht hatte. Als sie den Text überflog, den sie für die ersten Zeilen notiert hatte, riss sie entsetzt die Augen auf.
… trag dich in meinem Herzen, was immer auch geschieht Hannes, mein Geliebter, für dich schrieb ich dieses Lied …
Nej, nej, nej!
Wütend riss Lisbet das Blatt vom Notenblock ab, knüllte es zusammen und warf es auf den Boden. Der Papierball kullerte ein paar Meter weit – und Hannes, der gerade aus dem Gebäude getreten war, genau vor die Füße.
Lisbet spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, als er sich bückte und das Papier aufhob.
Hastig sprang sie auf und riss ihm das Knäuel aus der Hand. „Was wollen Sie?“
Verdutzt sah er sie an. „Ich kann nicht schlafen“, antwortete er dann. „Es ist viel zu hell.“
Verächtlich blickte sie ihn an. „Sie wissen nicht gerade besonders viel über die Heimat Ihrer Großtante, was?“
„Fangen Sie schon wieder damit an?“ Er runzelte die Stirn. „Ja, ich weiß, ich habe sie sehr lange nicht gesehen, und ich kann
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