Das Schloss am See: Mittsommerherzen (German Edition)
Flecken übersät war, seine verbundene Haut berührte, verzog er schmerzerfüllt das Gesicht und fluchte unterdrückt.
„Tut es sehr weh?“, fragte sie mitfühlend.
„Der Arzt sagte, Aleksandra geht es gut?“, überging er ihre Frage. Als Lisbet nickte, lächelte er. „Dann ist es halb so schlimm“, sagte er sichtlich erleichtert.
„Danke – für alles …“
Er hob eine Braue. „Du brauchst mir nicht zu danken. Ich habe lediglich getan, was auch jeder andere in meiner Situation gemacht hätte.“
„Du hast dein Leben riskiert“, entgegnete sie fest. „Das ist weit mehr, als die meisten Menschen für ein fremdes Kind getan hätten! Und jetzt komm, ich bringe dich nach Hause.“
Erst nachdem sie sie ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, wie richtig diese Worte klangen.
Nach Hause …
Trotz der kurzen Zeit, die er erst auf Beringholm Slott verbracht hatte, schien er bereits dorthin zu gehören. Zu Lisbets Überraschung konnte sie sich kaum mehr vorstellen, ohne ihn in dem riesigen Schloss zu leben.
Werd jetzt bloß nicht sentimental! Es ist vollkommen normal, dass du dich nach Hildas Tod einsam fühlst. Aber Hannes ist ganz bestimmt nicht die richtige Person, um deine Einsamkeit zu bekämpfen!
„Sehr gern“, seufzte er. „Aber vorher muss ich mir noch ein wenig die Beine vertreten, um meinen Kreislauf in Schwung zu bringen.“
Zweifelnd schaute Lisbet ihn an. „Bist du sicher, dass es dir dafür gut genug geht?“
„Mir fehlt nichts.“ Er hakte sich bei ihr unter. „Komm, gehen wir.“
Sie verabschiedeten sich von Aleks und ihren Eltern und verließen das Krankenhaus.
Rättvik war ein typisch schwedisches Städtchen mit hübschen kleinen Einkaufsstraßen und wimpelgeschmückten Häusern. Auf dem Marktplatz stand ein mannshohes graues, mit farbenfrohen Ornamenten geschmücktes Holzpferd, auf dessen Rücken lachende Kinder thronten.
„Ein
Dalahäst“
, erklärte Lisbet, als sie Hannes’ fragenden Blick bemerkte. „Diese Holzpferde sind ganz typisch für die Gegend Dalarna.“
„Aber sind sie nicht für gewöhnlich rot?“
„Üblicherweise schon – nur hier in Rättvik nicht. Vermutlich, um sich vom Rest der Provinz abzuheben.“ Sie gingen weiter, bis sie zum Seeufer gelangten. Das kristallklare Wasser, auf dem Boote ihre Runden drehten, glitzerte im Sonnenlicht. Hannes hob das Gesicht zum Himmel und schloss die Augen.
Sein Anblick löste etwas in Lisbet aus, das sie kaum in Worte zu fassen vermochte. Da war dieses warme, wohlige Gefühl in ihrem Bauch, während es sie gleichzeitig allein bei dem Gedanken, dass er vorhin bei dem Brand hätte sterben können, eiskalt überlief.
Sie nahmen vom See aus ein Taxi zurück nach Beringholm Slott. Lisbet schaute aus dem Fenster, um nicht ständig den immer höher werdenden Betrag auf dem Taxameter vor Augen zu haben.
Das gedämpfte Licht der sinkenden Sonne tauchte die Landschaft in ein Meer aus Farben. Plötzlich musste sie daran denken, was ihre Mutter immer gesagt hatte, wenn der Himmel über dem Horizont rot aufleuchtete.
Schau, Lisbet, Frau Holle backt Kuchen …
Als sie Beringholm Slott erreichten, war die Feuerwehr längst wieder abgerückt. Als letzte Überreste des Stalles ragten einige geborstene und von Ruß geschwärzte Holzpfeiler in den Himmel. Der Boden im Umkreis der Ruine war verbrannt, und die Reifen des Löschwagens hatten tiefe Furchen in die Erde gegraben.
Es war ein trauriger, bedrückender Anblick, und Lisbet spürte, wie ihr die Tränen kamen.
„Nun weine doch nicht.“ Hannes legte ihr von hinten eine Hand auf die Schulter. „Den Stall haben wir innerhalb einer Woche wieder aufgebaut, du wirst schon sehen.“
„Ach ja? Und wozu?“ Mit einem Mal brach sich die Verzweiflung, die sich in den vergangenen Tagen und Wochen seit Hildas Tod in ihr aufgestaut hatte, Bahn. Sie drehte sich zu ihm um. „Was hat das noch für einen Sinn, Hannes? Du hast mehr als deutlich gemacht, dass du Beringholm Slott verkaufen willst, und die Tiere und ich sind dir dabei nur im Weg. Warum willst du mir helfen, wenn du mir am Ende ja doch alles wegnimmst? Ich …“
Sie schluchzte auf und barg das Gesicht in den Händen. Sicher würde er jetzt gehen und sie allein lassen. Er hatte ihr ja schon mehrfach klar zu verstehen gegeben, dass er sie für eine kühl kalkulierende Frau hielt. Er ahnte ja nicht, wie sehr ihr das Schicksal der Tiere und der Kinder am Herzen lag. Sie hatte in ihrem Leben einmal etwas wirklich Gutes tun
Weitere Kostenlose Bücher