Das Schloss am See: Mittsommerherzen (German Edition)
wollen – und jetzt schien alles den Bach hinunterzugehen. Doch warum sollten ihre Tränen ihn berühren?
Umso überraschter war sie, als er sie in seine Arme zog, ihr Gesicht mit einer Hand anhob und sie sanft küsste.
Lisbet fühlte sich wie im Fieber. Sie konnte nicht mehr klar denken. Ihr Herz klopfte wie verrückt, und sie schien schwerelos über den Dingen zu schweben.
Hannes’ Küsse ließen ihre Lippen brennen. Sie trank, ja, sie labte sich an seinem Kuss. Er gab ihr all das, wonach sie sich so lange gesehnt hatte. Immer wieder hatte sie sich eingeredet, dass sie keinen Mann mehr in ihrem Leben brauchte. Dass sie alle körperlichen Bedürfnisse hinter sich gelassen hatte und nur noch für ihre Aufgabe lebte.
Doch nun erkannte sie, dass sie sich die ganze Zeit nur etwas vorgemacht hatte. Die Art und Weise, wie sie körperlich auf Hannes reagierte, ließ daran nicht den geringsten Zweifel aufkommen.
Trotzdem durfte das, wonach sie sich so sehr sehnte, nicht sein.
Und im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass es auch niemals so weit kommen würde. Spätestens wenn Hannes sie ohne die langen Hosen sah, die sie auch bei größter Sommerhitze trug, würde er vor ihr zurückschrecken. Und sie konnte es ihm nicht einmal verdenken …
Unwillkürlich versteifte sie sich in Hannes’ Armen. Sie wollte sich von ihm losmachen, doch er hielt sie fest.
Mit vor Leidenschaft verschleiertem Blick schaute er sie an. „Stimmt etwas nicht?“, fragte er mit heiserer Stimme. „Wenn dir das hier zu schnell geht …“
Wie verständnisvoll er war! Ganz anders als die meisten Männer, mit denen sie bis zu jenem schicksalhaften Tag zusammen gewesen war. Er schien sich tatsächlich dafür zu interessieren, was in ihr vorging. Selbst Ruben war, was die körperliche Seite ihrer Beziehung betraf, stets vor allem auf die Befriedigung seiner Wünsche und Bedürfnisse bedacht gewesen.
Sie glaubte zu spüren, dass Hannes anders war. Auch sie war anfangs auf seine Masche hereingefallen, auf den selbstherrlichen Macho. Aus irgendeinem Grund wollte er, dass alle Welt ihn für einen gefühllosen, karrierebesessenen Bastard hielt, der überhaupt nicht seinem wahren Charakter entsprach. Doch dann hatte sie gesehen, wie herzlich und verständnisvoll er mit den Kindern umgegangen war. Ein Mann, der nur an Macht und Karriere interessiert war, verhielt sich so nicht. Und auch wenn er es mehrfach angedroht hatte – bisher hatte er keinen Versuch unternommen, sie mitsamt den Tieren und Kindern von Beringholm Slott zu vertreiben.
Doch das alles änderte nichts daran, dass es für sie und Hannes keine Zukunft geben konnte. Ein unterdrücktes Schluchzen schnürte Lisbet die Kehle zu, und Tränen schossen ihr in die Augen. Sie wollte sich abwenden, damit Hannes ihre Verzweiflung nicht bemerkte, doch er ließ es nicht zu.
„Bitte!“, sagte sie heiser. „Lass mich los!“
8. KAPITEL
H annes kam ihrem Wunsch nach. Hastig stolperte Lisbet ein paar Schritte zurück und drehte ihm den Rücken zu. Doch anstatt die Chance zu nutzen, aus seiner verwirrenden Gegenwart zu entkommen, blieb sie stehen.
„Was hast du?“, fragte er. „Ich merke doch, dass dich etwas bedrückt, Lisbet.“ Er trat hinter sie und legte ihr beide Hände auf die Schultern. „Willst du es mir nicht sagen? Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein“, erwiderte sie, und die Traurigkeit, die in ihrer Stimme mitschwang, erstaunte sie selbst. „Du kannst mir nicht helfen. Niemand kann das …“
Behutsam drehte er sie zu sich um, legte ihr eine Hand unters Kinn und zeichnete mit dem Daumen die Konturen ihres Gesichts nach.
Die Berührung ließ Lisbet erschauern vor Verlangen.
Sei keine Närrin! Du weißt genau, dass es nur in einer Enttäuschung enden kann. Willst du dir das wirklich antun?
Ja, lautete, zu ihrer eigenen Überraschung, die Antwort.
Sie wollte mit Hannes zusammen sein, wollte es vielleicht mehr, als sie je zuvor etwas gewollt hatte. Ihre Sehnsucht war sogar größer als die Furcht davor, verletzt zu werden. Und die Stimme ihrer Vernunft wurde leiser und leiser, bis sie schließlich ganz verklang.
Wie von selbst hoben sich ihre Arme und schlangen sich um seinen Nacken. Sie legte den Kopf zurück, hob das Gesicht und schaute ihm direkt in die Augen.
Ihr Atem ging heftiger. Rasch hob und senkte sich ihre Brust. In seinen blauen Augen loderte dasselbe Feuer, das auch in ihrem Inneren wütete. Doch er hielt sich
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