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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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sie. Es ist anvertrautes Gut; wir können erwarten, daß Sie
sie wie Kranke behandeln.«
    Von da an ging alles wie am
Schnürchen. Die Pfleger und Pflegerinnen führten ihre Schutzbefohlenen zu den
Wagen. Sie brachten ihnen noch Wäsche und ein Vesper auf die Reise, falls sie
länger unterwegs sein sollten.
    Friedrich warf ihnen eine
Kußhand zu: »Jetzt geht’s los! Wie i mi freu! Auf Wiedersehn!«
    Anderen fiel der Abschied
schwer. Sie weinten und wußten nicht, warum. Eine Pflegerin wollte einem
kranken Kind noch die vergessene Puppe bringen, als die Kommandostimme des
Transportleiters ertönte: »Schluß jetzt! Raus aus dem Wagen, wer nicht
mitfährt!«
    Im letzten Augenblick kam noch
eine Pflegerin mit einem Päckchen angerannt, aber der Fahrer winkte ab: »Wo die
hinkommen, brauchen sie nichts mehr zum Essen und Anziehen, da gibt’s bald 75
Dackel weniger auf der Welt!«
    Entsetzt fuhr sie zurück. Der
Motor lief an.
    Wie erstarrt blieben die
Zurückbleibenden stehen. »Hast du gehört?« ging es von Mund zu Mund. »›75
Dackel weniger auf der Welt! Die brauchen nichts mehr zum Essen und Anziehen.‹
Was soll das heißen?« Eine gellende Stimme schrie: »Sie wollen sie ermorden!
Sie bringen sie um!«
    Nur mit Mühe konnten Pfleger
und Pflegerinnen die verstörten Gemüter beruhigen.
    Am Abend rief der Pfarrer
alles, was gehen konnte, in die Kapelle. Er betete für die Abtransportierten,
daß Gott sie behüte auf allen ihren Wegen, für die Zurückgebliebenen, daß er
ihnen Glauben und Vertrauen schenke, für die Ausmarschierten, daß er sie bald
wieder in die Heimat führe, und endlich für den Frieden, den Gott dieser armen
Welt schenken möge.
    Man hatte ihm das schreckliche
Wort erzählt, und wenn er sich auch nach außen nichts anmerken ließ, so war
doch in seinem Herzen eine tiefe Angst.
    Er erinnerte sich an ein
Gespräch, das er einmal mit einem Pfleger gehabt hatte, als dieser zum Heer
einberufen wurde. »Merkwürdig«, hatte der zu ihm gesagt, »die Gesunden müssen
sterben, und die Kranken bleiben am Leben.« Aber verzehrten nicht in der
Anstalt die Gesunden ihr Leben im Dienst an den Kranken? Und geschah dies nicht
nach Gottes Willen?
    Es dauerte nicht lange, bis
seine geheime Angst eine grausame Bestätigung erfuhr. Schwarzumränderte Briefe
kamen, Eltern fragten nach ihren Kindern, Geschwister nach Bruder oder
Schwester. Sie hätten von einer ihnen unbekannten Anstalt die Nachricht
erhalten, daß ihr Sohn oder Bruder, ihre Tochter oder Schwester plötzlich
verstorben sei an einer Krankheit, von der sie nie etwas gewußt hätten. Warum
man sie nicht rechtzeitig benachrichtigt habe? Sie hätten doch ihre Kranken
gerne noch einmal gesehen. Wie es komme, schrieb einer, daß sein Bruder an
einer Blinddarmentzündung gestorben sei, nachdem man ihm doch schon als Kind
den Blinddarm herausgemacht habe? Was man davon halten solle?
    Eines Tages fiel plötzlich der
Name »Grafeneck«. Das war auch ein Schloß, oben am Albrand. Es beherbergte eine
Samariterstiftung, die seit vielen Jahren körperlich und geistig Behinderte
aufnahm und verpflegte. Diese Anstalt war plötzlich zu Anfang des Krieges ins
Oberland verlegt worden, möglichst weit fort. Darauf wurde das Schloß geheimnisvoll
von der ganzen Umwelt abgeschlossen und durfte nicht mehr betreten werden. Es
wurde ein Standesamt darin eingerichtet und ein Krematorium, dessen hoher Kamin
weit hinaus sichtbar war. Und wenn die Bauern der Schwäbischen Alb pflügten und
eggten und abernteten, sahen sie den Rauch aus diesem Kamin aufsteigen, den
Rauch, der die Luft weithin verpestete. Dann sahen sie einander an und sagten
nichts. Am Anfang. Später aber sagten sie: »Die haben scheint’s wieder viel
Arbeit.« Oder: »Da verbrennt man scheint’s wieder.« Und wenn sie die grauen
Omnibusse durch ihre Dörfer fahren sahen, nahmen die Mütter ihre Kinder vom
Fenster weg, weil sie sonst gefragt hätten, wer in diesen Omnibussen sei. Und
wenn einer drunten in der Stadt, vielleicht in einer Wirtschaft, recht dumm
herausschwätzte, dann konnte es sein, daß sein Tischnachbar leise zu ihm sagte:
»Du, paß fein auf, daß du nicht auch eine Himmelfahrt durchs Kamin machen
darfst!«
    Es ging ein Geflüster und
Gerede durchs Land; niemand wollte etwas wissen, und doch wußten es alle. Und
heimlich raunte man einander zu: »Die lügen uns an, daß wir schwarz werden!« —
»Die sollen uns doch nicht für so dumm halten!«
    Rektor Rupp schrieb. Im
Innersten verwundet,

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