Das Schloss der tausend Sünden
gefährden.»
Arabelle blieb stumm, doch er spürte deutlich, dass sie aufmerksam zuhörte und ihm alle Zeit der Welt ließ.
«Doch wenn ich es nicht versuche, kannst du niemals befreit werden, meine Liebste», weinte er, als würden seine Gefühle ihn in tausend Stücke reißen.
Pst, mein André. Mach dir keine Sorgen, beruhigte ihnseine geisterhafte Gefährtin. Wenn es geschehen soll, wird es auch geschehen. Wenn du vielleicht ganz offen zu ihr wärst … Wenn du ihr unsere Lage schildern und sie selbst entscheiden lassen würdest, vielleicht hilft sie uns dann aus freien Stücken.
«Vielleicht hast du recht», murmelte der Graf und betrachtete seine Hände. Bevor diese Finger Belinda berührten, hatten sie viele Jahrzehnte zuvor Arabelle gestreichelt. Er konnte sich noch gut an ihre unglaublich weiche Haut erinnern, an ihr Stöhnen, wenn er sie berührte, und an ihr Erröten, wenn er sich Freiheiten herausnahm. Arabelles erotisches Verlangen war gerade erst erweckt worden, als ihre Wege sich trennten. Der Graf hatte damals genau gespürt, dass sie ihn wollte und mit jeder Begegnung wagemutiger wurde. Immer wieder war es ihnen verwehrt worden, endlich eins zu sein, und es fühlte sich an, als würde jemand einen Dolch in seine Brust rammen – wieder und wieder, mit Stichen, die schmerzten und bluteten, ihm aber nie die Erlösung schenkten, nach der er sich so sehnte.
Quäl dich nicht, mein Liebster. Gedenke unserer gemeinsamen Stunden mit Freude und nicht mit Traurigkeit. Arabelles Stimme klang wie ein Echo in seinem Kopf. Wie eine klare, helle Glocke, deren liebreizender Klang ihn etwas aufmunterte. Schau mit Hoffnung nach vorn, mein André, und genieße den Trost, den du finden kannst. Ich glaube fest daran, dass alles gut wird.
Da hatte André allerdings seine Zweifel. Und er spürte, dass auch seine weise Geliebte sich dieser Bedenken bewusst war. Doch als seine Gedanken durch die Jahre zurückwanderten und er sich ihren lieblichen Körper in seinen Armen vorstellte, wurde sein Herzschlag ruhiger. Er schloss die Augen und lächelte.
Kapitel 6
Die Rivalin
Isidora Katori ließ sich in die weichen Ziegenledersitze ihrer Limousine fallen, schloss die bemalten Augen und lächelte voller Zufriedenheit. Ihre schmalen Hände wanderten kurz zu ihrem Dekolleté, wo unter der Kleidung ihr Talisman, Astarte, ruhte.
Für einen außenstehenden Beobachter wirkte die Frau ruhig wie immer. Doch in ihrem Inneren herrschte ein Chaos umherwirbelnder Leidenschaften.
Sie hatte ihn wiedergefunden! Ihren gefallenen Engel. Das Objekt ihrer Begierde und ihres Hasses. Isidora ließ die Finger über das kostbare Medaillon gleiten und dachte über den einzigen Mann nach, der sie jemals besiegt und in Gedanken über Jahrzehnte verfolgt hatte. Sie hatte André von Kastel für immer verändert und für immer verflucht.
Nach einem anstrengenden Flug und einem ebenso anstrengenden Aufenthalt in Paris hatte sie sich in den opulenten Kokon ihres langen schwarzen Wagens zurückgezogen und ihre Gedanken durch den Äther wandern lassen. Und ganz plötzlich war sie auf das mentale Erkennungszeichen gestoßen, nach dem sie die ganze Zeit gesucht hatte: André war irgendwo ganz in der Nähe erwacht! In diesem Land. In England. Sein Bewusstsein war wie ein Leuchtfeuer, dem sie folgen konnte.
Isidora sah jenes Gesicht noch deutlich vor sich, das sich ihr bei der letzten Begegnung mit André in jedem wunderschönen Detail ins Gedächtnis gebrannt hatte. Immer noch konnte sie den Zorn in seinen blauen Augen sehen, seinenKummer und seine verzweifelte Verwirrung auskosten. Während er sie schon hasste, hatte er sie immer noch aufs äußerste begehrt. Und das war für Isidora der reinste, befriedigendste Triumph gewesen.
«Ist alles in Ordnung?», erkundigte sich eine Stimme neben ihr und störte ihre Gedanken an Andrés gequälte Gesichtszüge.
Isidora öffnete die Augen und betrachtete ihren Gefährten mit vorübergehender Genervtheit.
Wer war dieser Wurm? Wie war sein Name? Nicht einmal daran konnte sie sich erinnern. Er war einfach nur ein attraktives Gesicht im Flugzeug gewesen. Ein ganz gewöhnlicher Yuppie, der zweifellos gerade ein erfolgreiches Geschäft abgeschlossen hatte und sich nach dem berüchtigten Glas Champagner zu viel nun auf einen anderen Eroberungsfeldzug traute. Zwar war Isidora nach den Ausschweifungen in Paris etwas müde gewesen, doch seine unbeholfenen Annäherungsversuche hatten sie ausgesprochen amüsiert. Sein
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