Das Schloss Im Moor
einen Bierwagen durchzubringen. Reitend kamen die Knechte mit den abgehetzten
Pferden von der Bahn zurück, die mühevolle Arbeit wurde nochmals versucht, ein zweiter Wagen fortgeschleppt, von
acht Pferden gezogen. Dann hatte es ein Ende. In der Dämmerung konnte der Heimritt nicht gewagt werden, es mußten
Pferde und Knechte samt den Wagen im Städtchen verbleiben. Die Verkehrsunterbindung bringt der Schloßbrauerei
fühlbaren Schaden in jedem Frühjahr, das eine Mal durch längere Dauer der Überflutung mehr, ein andermal
weniger; auf eine Verkehrsstörung von einigen Tagen müssen Tristners immer gefaßt sein. Menschliche Kraft
kann diese Verhältnisse im Moorgebiet nicht ändern.
Baron Hodenberg war durch dringende Geschäfte verhindert worden, wie beabsichtigt, schon am nächsten Tage nach
Ried zu übersiedeln; zwölf Stunden hatten jedoch genügt, die Niederung unpassierbar zu machen. Der
Fuhrwerksbesitzer in Landsberg weigerte sich, Pferde und Wagen für eine Fahrt durch das Überschwemmungsgebiet
herzugeben, er verblieb bei seiner Weigerung trotz der von Hodenberg angebotenen dreifachen Überzahlung des Fahrpreises.
Fort und speziell nach Schloß Ried wollte der Kavalier unter allen Umständen, sein Herz drängt ihn zu Olga,
Geld spielt bei ihm keine Rolle, kurz entschlossen kaufte er zwei Pferde nebst einem leichten Steirerwägelchen zu sehr
hohem Preise, verstaute von seinem massenhaften Gepäck einen eleganten Koffer auf dem Gefährte und fuhr
eigenhändig, begafft von der halben Bevölkerung des Städtchens, die den wagehalsigen eigensinnigen Baron
für verrückt erklärte.
Durchnäßt, doch heil kam Hodenberg glücklich durch die Flut und landete vor Schloß Ried. Hatte der
junge Kavalier einen freudigen Willkommen erwartet, so sah er sich enttäuscht, Olga kam nicht zum Empfang, auch sonst
niemand von der Familie Tristner. Lediglich der Pförtner sprang herbei und erkundigte sich nach dem Begehr des
Barons.
»Ist das gnädige Fräulein zu sprechen?« fragte der enttäuschte Baron.
Der Portier gab Auskunft, daß die Damen mit Ausnahme der alten Frau Tristner unten im Dorf bei den Rettungsarbeiten
seien.
Hodenberg atmete befreit auf, übertrug dem Mann die Sorge um die Pferde und eilte in das nahe, im unteren Teile
völlig überschwemmte Dorf. Die Damen überwachten die Bergung von Vieh und Hausrat aus den von den Fluten
bespülten Häusern und dirigierten die Brauburschen an besonders bedrohte Wohnstätten. Olga rief dem
heraneilenden Hodenberg herzlichen Willkomm zu, die zierliche Eugenie begnügte sich mit höflichem Kopfnicken.
»Sie sind also doch gekommen, Herr Baron, das freut mich!« erwiderte Olga und reichte Hodenberg die Hand.
Hastig erzählte der Baron von den Schwierigkeiten dieser Übersiedlung und seiner Fahrt durch das
Überschwemmungsgebiet. Die gekauften Pferde seien einstweilen in der Schloßstallung eingestellt.
»Herr Baron, Sie werden bei uns wohnen, Mama ist verständigt, wird aber nicht zu sprechen sein, da der gestern
gekommene Augenarzt mit der Untersuchung ihrer Augen beschäftigt ist und jeglichen Besuch oder Störung verboten
hat.«
»Tausend Dank, gnädiges Fräulein! Kann ich mich unter Ihrem Oberbefehl hier irgendwie nützlich
machen?«
»Danke, nein, zur tatkräftigen Hilfe genügen unsre handfesten Brauburschen vollauf, hingegen steht es in
Ihrem Belieben, dem Bürgermeister für die schwer heimgesuchte Dorfbevölkerung eine Spende zu verabreichen. Der
Dank aller und auch meiner Wenigkeit wird Ihnen sicher sein!«
»Mit Freuden werde ich dieser Mahnung Folge leisten! Darf ich vielleicht bitten, mich zum Bürgermeister zu
führen?«
Eugenie verabschiedete sich, als das Paar auf die Suche nach dem Vorsteher ging. In seiner Freude, nun doch im Schlosse
untergebracht zu sein, spendete Hodenberg einen wahrhaft fürstlichen Betrag für die Überschwemmten,
worüber Olga in helles Entzücken geriet und in herzlichster Weise dankte.
In lebhafter Unterhaltung kehrte das Paar ins Schloß zurück, wo Olga sich beeilte, dem Gast seine Zimmer
anzuweisen. Hodenberg unterdrückte jede Gefühlsaufwallung und begnügte sich, für diese Freundlichkeit
kurz zu danken. Als sein Koffer heraufgebracht war, richtete er sich häuslich ein, vergnügt dazu pfeifend. War doch
alles nach Wunsch gegangen und die ersehnte Abgeschlossenheit von der lärmenden, hastenden Welt glücklich
erreicht.
Im Gemache der Frau Tristner hatte der Augenarzt seine
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