Das Schloss Im Moor
versicherte, es noch nie gesehen zu haben, daß ein
Mensch so toll mit Geld wirtschafte.
Frau Helene hatte aufmerksam zugehört und bemerkte nun: »Solches Geldverschleudern ist meines Erachtens ein
untrügliches Zeichen dafür, daß der Mann ohne tiefere Bildung ist und mühelos Geld bekommen hat.
Möglich, daß der Baron das Geld gewonnen oder geerbt hat, vielleicht sogar auf nicht einwandfreie Weise zu einem
Vermögen gekommen ist. Jedenfalls kennt er den Wert des Geldes nicht, hat es auch nicht durch mühsame Arbeit
erworben.«
Thein stimmte bei: »Ganz richtig, gnädige Frau! Dem Manne ist das Geldausgeben zur Zeit Selbstzweck. Auffallend
war mir bei scharfer Beobachtung, daß dieser Baron ausgelassen lustig sich zeigte, inmitten seiner unbändigen
Fröhlichkeit aber plötzlich ein unsicheres, fast ängstliches Benehmen zum Ausdruck kommen
ließ.«
Hastig warf Olga ein: »Hodenberg ist bekanntlich gemütskrank, hypernervös, daher diese plötzlich
auftretende Angst und Scheu! Er sprach selbst davon, daß er zeitweilig an Verfolgungswahn leide!«
Freundlich erwiderte Thein: »Das will ich um so weniger bestreiten, da Sie, liebes Fräulein, es behaupten! Es
liegt ja auch weiter nichts vor! Vielleicht ist Baron Hodenberg eine Art jugendlicher Tunichtgut, der das Vermögen eines
allzu sparsamen Vaters jetzt so schnell als möglich vergeuden, unter die Leute bringen will. Das scheint der Baron famos
zu verstehen!«
Theo meinte lachend: »So? Nun, dann werden wir wohl bald das Vergnügen haben, den Verschwender total abgebrannt
wiederzusehen! Vielleicht spricht er dann vor und bittet um Verabreichung des Ortsgeschenkes!«
»Das ist eine Infamie!« rief zornbebend die Schwester.
Der Amtsrichter wollte vermitteln und bat, es möge Olga die Bemerkung Theos, die mehr ein schlechter Witz denn eine
Bosheit sei, nicht weiter übelnehmen.
Olga blieb bei ihrem Ausspruch, wodurch die Harmonie für den Rest des Abends zerstört war. Thein ließ
anspannen und fuhr nach herzlicher Verabschiedung nach Hause. Mutter und Tochter verfügten sich in ihre Zimmer. Als
jegliches Licht im Schlosse erloschen war, ging auch Theo zur Ruhe.
Der herrliche Sommermorgen lockte den früh erwachten jungen Schloßherrn zu einem Spaziergang, der bei
reichlicher Zeit bis zur Bahnstation ausgedehnt wurde. Eben fuhr der Münchener Personenzug ein, dem zu Theos
Überraschung der neuengagierte Verwalter Wurm entstieg. Durchaus vornehm gekleidet, sah der ehemalige
Hofstaatssekretär einem Lord auf Reisen sehr ähnlich, und hochnäsig rief Wurm nach einem Träger. Da es
aber in der kleinen Station keine eigentlichen Kofferträger gab, war der Verwalter gezwungen, sein Handgepäck
selbst aus dem Wagenabteil erster Klasse zu nehmen.
Theo, der auf Reisen nur zweite Klasse benützte, wunderte sich, daß ein Untergebener in erster Wagenklasse
fahre, und trat nun auf Wurm zu und begrüßte ihn.
Hastig dankte der Verwalter, im Bestreben, den jungen Chef vom Waggon wegzubringen.
Dieses Drängen erschien Theo auffällig, doch sagte er darüber nichts. Der Zug fuhr ab, und für einen
Augenblick ward am Fenster des Abteils, das Wurm verlassen hatte, ein Frauenkopf sichtbar.
»Aha!« dachte Theo und fragte hierauf, warum Wurm seine unerwartet frühe Ankunft nicht durch ein
Telegramm angezeigt habe.
»Wollte nicht stören, gnädigster Herr! Hatte die Absicht, mein Gepäck auf der Station zu lassen und
zu Fuß nach Schloß Ried zu gehen. Wollte Ihnen vorschlagen, mit mir weiter gen Süden zu reisen, so 'ne
Schnellzugsfahrt durch die Alpen nach Triest und über Venedig zurück. Parforcetour allerdings, denn zum
Dienstantritt muß ich rechtzeitig in Schloß Ried wieder eintreffen. Was sagen Euer Gnaden zu dieser
Idee?«
»Topp, genialer Gedanke! Nur müßte ich daheim schnell im Kalender nachsehen, ob Wechsel fällig sind,
und dem Buchhalter Anweisungen geben.«
»Besteht sonst kein Hindernis für eine plötzliche Abreise?«
»Ich wüßte nicht! Auf eine Woche könnte ich leicht fort!«
»Und die Damen?«
»Ach so! Nun, Mama dürfte ich allerdings nicht sagen, daß ich eine Spritzfahrt zum Vergnügen
unternehme.«
»Vielleicht sagen Herr Chef, daß Sie in München geschäftlich zu tun haben, das klingt sehr
wahrscheinlich!«
»Sehr gut! Wollen wir mal den Fahrplan studieren?« meinte Theo, dem die Idee einer Spritzfahrt ausnehmend
gefiel.
»Nicht nötig, Herr Tristner! Der nächste Zug trifft um elf Uhr hier ein und
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