Das Schloss Im Moor
Viertelstündchen später standen die Herren wieder am Hafen und pilgerten auf
den Platten dem Hôtel de la ville zu, um hier auf deutsche Art zu frühstücken.
Die letzten Bedenken Theos gegen einen Ausflug zur See schwanden beim Anblick der reizenden Dame, die reisefertig das
Hotel verließ und sich zum Hafen begab, um frühzeitig an Bord zu gehen. Zu Wurm gewendet, fragte Theo:
»Wissen Sie denn, wohin die Dame fährt?«
»Das Reiseziel dürfte Korfu sein, denn der Eildampfer ›Venus‹, der um vier Uhr Triest
verläßt, fährt direkt nach Korfu. Ich vermute, daß sich die Dame um eine Stellung bewerben
wird.«
»Gut, fahren wir mit! Besorgen Sie alles Weitere! Ich gehe gleich an Bord!«
Wurm nickte sehr zufrieden, veranlaßte aber Theo, zu warten, bis im Hotel alles erledigt sei.
Gegen vier Uhr bestiegen die Herren den Dampfer, auf dem reges Leben herrschte.
»Hojo-tirra-hoj!« tönte es aus den Kehlen der Träger, die auf schwankenden Landungsbrettern die
Lasten auf den schmucken Dampfer schleppten. Dicker Rauch qualmte aus dem Schlot und verfinsterte den Hafen, die Dampfkranen
rasselten, es war ein fieberhaftes Hasten und Jagen.
Die Flut im Hafenbecken schimmerte perlmutterfarbig, silbern glänzte draußen die See. Auf der
staffelförmigen Landschaft mit ihren immergrünen Gewächsen und den hellen Flecken, den palastähnlichen
Häusern dazwischen, lachte goldiger Sonnenschein.
Schon wurden die Schiffsmagazine geschlossen, Fracht und Gepäck war verstaut, die letzten Passagiere kamen an Bord,
die schweren Brücken waren an Land gezogen, nur eine schmale Brücke mit Seilgeländer verband den Bord mit dem
steingefügten Ufer. Dumpf dröhnte der Pfiff der Dampfpfeife. Wer nicht mitfuhr, mußte nun das Schiff
verlassen, das Abschiednehmen begann. Würdevoll begab sich der Kapitän auf die Kommandobrücke, die Offiziere
nahmen ihre Posten ein; die schmale Brücke wurde, nachdem die letzten Begleiter an Land zurückgekehrt waren,
eingezogen. Nur noch an vier schweren Seilen hing der Dampfer mit dem Lande zusammen. Da ertönte das Kommando des
Kapitäns.
Der Offizier, dem die Bedienung des Sprachrohres hinab in den Maschinenraum oblag, gab augenblicklich den Befehl
»Avanti!«, und im gleichen Moment schlug die Schiffsschraube das Wasser zu mächtigen rauschenden Wellen.
Langsam, majestätisch zog der Dampfer in See.
Hin und her tönten die Rufe: »Felice viaggio!« Tücherschwenken, letzte Grüße,
Tränen, Freudenrufe.
Spitzflügelige Möwen umflattern das Schiff, als wollen auch sie Abschied nehmen, sie schwirren um die Masten,
lassen sich in See fallen und küssen die weißen Perlenschnüre der Wellenkämme.
Wie gebannt blicken die Passagiere zurück auf die im Abendsonnenschein glühende Stadt und die verschwimmenden
Konturen des Karstgebirges. Ein entzückend schönes Bild.
Ein Addio noch dem treuen Leuchtturm, einen Blick auf das einst venezianisch gewesene Capo d'Istria und das prächtig
gelegene Pirano, dann versinkt der Golf von Triest mit der Silhouette des Kaiserschlosses Miramar; mattfarbene Dämmerung
fällt ein, mählich erglänzen die Sterne am Firmament.
Vereinzelt schwimmen kleine Boote und Zollkutter auf der schwach irisierenden Meeresfläche, sie suchen das
heimatliche istrische Gestade auf, bevor die Nacht einbricht.
Wie ein edler Renner geht der Dampfer in See.
Für Theo Tristner war alles so neu und fesselnd an Bord und um das Schiff, daß er auf seinen Begleiter wie auf
das erhoffte Reiseabenteuer völlig vergaß. Der Abend auf hoher See nahm seine Sinne gefangen. Fast unwillig zuckte
Theo zusammen, als der Ruf: » Ratazza!« ertönte, doch guckte Theo wieder neugierig auf das Vorderdeck, um zu
sehen, was dieser Ruf zu bedeuten habe.
Der alte Brauch der Arbeitsverteilung zur Bordreinigung wird eben inszeniert, indem der Bootsmann die zwei jüngsten
Matrosen auswählt, dem einen die Ratazza (mehrere alte Schiffsseile aufgedreht und an einem Ende zusammengeknotet)
übergibt, dem andern einen Besen einhändigt unter entsprechender Belehrung.
Munter traten die Burschen, echt südländische Gestalten, ihren Dienst an; der eine wischt mit der angefeuchteten
Ratazza alle auffindbaren Flecken an Bord sauber auf und achtet sorgsam auf jede Bewegung der Mannschaft. Spuckt ein Matrose
den Priemchensaft im Bogen auf Deck, flugs ist die Ratazza in seinen Händen, es muß nun der Verunreiniger das Amt
übernehmen und so lange verwalten, bis er seinerseits
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