Das Schloss Im Moor
könnte, doch vermag ich andernteils keinen Schaden für die Sache zu erblicken. Ich werde also den Verhafteten
vorführen lassen!« Doktor Thein klingelte und gab dem eintretenden Amtsdiener entsprechenden Befehl.
Nach etwa einer Viertelstunde erschien Baron Hodenberg, der überrascht den Verwalter Wurm fixierte und sodann den
Richter spöttisch fragte, ob vielleicht jetzt das Gericht in der Lage sei, nachzuweisen, welches schwere Verbrechen von
ihm verübt worden sei.
»Der Herr hier will einige Worte an Sie richten, geben Sie auf seine Fragen Antwort!« sprach Doktor Thein.
»Bedaure, mit fremden Leuten verkehre ich nicht!« äußerte Hodenberg und drehte Wurm den
Rücken.
Der Verwalter ließ sich durch diese Unhöflichkeit nicht einschüchtern und sprach: »Ji ward in korte
Tid freeloten warn, wenn Ji dat junge Frölen freegewt un den Verlowungsring trügg gewt!«
»Halt! Eine Konversation in einer mir fremden Sprache ist nicht zulässig!« rief Doktor Thein.
Unschlüssig guckte Hodenberg den Verwalter an, schwankend zwischen Glauben und Mißtrauen.
Wurm begann ruhig ein harmloses Gespräch über Verhältnisse der Städte Hannover und Hamburg und mengte
fast unmerklich die Worte ein: »Keine Fraselmahr! Alt Tschak! Gaterling spinnen!«
Hodenberg streifte einen Ring vom Finger und reichte ihn dem Verwalter. Doch Doktor Thein forderte Auslieferung an ihn
selbst und nahm den Ring Olgas in Verwahrung. Dagegen wollte Wurm Einspruch erheben, und auch Hodenberg protestierte gegen
die Beschlagnahme seines Eigentums, verstummte jedoch, als Wurm rief: »Schuffti!«
Der Gebrauch unverständlicher Worte veranlaßte den Amtsrichter, den Untersuchungsgefangenen in die Zelle
zurückführen zu lassen.
Als beide Herren ungestört sich gegenüberstanden, fragte Doktor Thein, weshalb der Herr Verwalter in einer
fremden Sprache zu Hodenberg gesprochen habe und was die Worte bedeuten.
Ein maliziöses Lächeln huschte über Wurms Gesicht, doch sofort war er wieder ernst und sehr höflich.
»Ich habe die Ehre, Euer Hochwohlgeboren zu versichern, daß der Verhaftete ein Gauner und der Gaunersprache
völlig mächtig ist!«
»Wie? Was? Wenn Sie das behaupten, müssen doch auch Sie selbst der Gaunersprache mächtig sein und . .
.«
». . . gleichfalls ein Gauner sein, wollen Sie sagen! Verbindlichsten Dank, Herr Amtsrichter, für diese
liebenswürdig gute Meinung! Mitnichten! Ich interessiere mich seit Jahren für das sogenannte Rotwelsch und habe mir
einige Ausdrücke angeeignet. In specie forderte ich den angeblichen Hodenberg auf, den Ring zurückzugeben, und
erfreulicherweise verstand der Baron diese Worte und leistete der Aufforderung Folge. Dadurch ist bewiesen, daß
Hodenberg den Ring von Fräulein Tristner erhalten hat, und daß der Häftling Rotwelsch versteht. Nun
kombinieren Sie weiter: Ist es wahrscheinlich, daß der Angehörige eines uralten Adelsgeschlechtes Kenntnisse der
Gaunersprache besitzt?«
»Schwer zu glauben! Solche Kenntnis würde beweisen, daß der Mann eben dem Adelsgeschlecht nicht
angehört oder tief gefallen ist.«
»Logisch gefolgert! Ich habe des weiteren die Ehre, zu versichern, daß der angebliche Hodenberg allerdings
hannoverschen Dialekt spricht; ich halte Hodenberg aber dennoch für einen Hamburger.«
»Weshalb?«
»Das ist freilich schwer zu sagen; wer lange in Hamburg gelebt, hat ein geschärftes Ohr für Hamburger
Dialekt und spezielle Betonung. Auch gebraucht Hodenberg nach Hamburger Sprechweise das Wörtchen ›ach‹ in
bezeichnender Weise. Ich glaube, mich nicht zu irren, wenn ich behaupte, der Verhaftete ist gebürtiger
Hamburger!«
»Das könnte wertvoll werden! Ich danke Ihnen für Ihre Mitteilungen.«
»Bitte sehr, es freut mich, Herrn Amtsrichter dienen gekonnt zu haben! Nun aber möchte ich doch bitten, mir
für Fräulein Tristner den Ring zu übergeben.«
»Die Rückgabe werde ich persönlich besorgen!«
»Pardon, Herr Amtsrichter! Gestatten Sie mir, daß ich Sie aufmerksam mache, wie peinlich es für
Fräulein Tristner sein muß, von Amts wegen einen Ring, den Hodenberg getragen, zurückgestellt zu
erhalten.«
»Ob vom Amt oder von Ihnen wird in der Wirkung gleichgültig sein!«
»Doch nicht, Herr Amtsrichter! Ich habe mich Fräulein Tristner in der Hodenbergschen Affäre zur
Verfügung gestellt, das gnädige Fräulein weiß von meinem Gang zu Ihnen. Es wird sicher für
Fräulein Tristner weniger peinlich sein, den Ring aus meiner Hand
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