Das Schloss Im Moor
Vertrag zu Recht, der Verwalter trat seinen
Posten an; Theo selbst, wenn auch wütend über sich, mußte Wurm einführen in das neue Amt, ihn dem
Personal vorstellen und bekunden, daß fürder Herr Wurm von Hohensteinberg Vollmacht in eigener Zuständigkeit
habe. Damit verlor der junge Herr den unmittelbaren Einfluß auf alle Angestellten, Wurm nahm von der Stunde an die
Zügel fest in die Hand und ging zielbewußt an die Arbeit.
Von dieser Tatsache nahmen die Damen Notiz, Mama seufzend, Olga gleichgültig, ersichtlich einen inneren Kampf
führend, mit anderen Gedanken beschäftigt. Theo hatte früher wohl die Absicht gehabt, Wurm einzuladen, die
Mahlzeiten am Familientische einzunehmen, nun aber war er froh, diese Absicht Wurm gegenüber nicht ausgesprochen zu
haben. Andernteils schien der Verwalter auf familiäre Behandlung Gewicht zu legen, Wurm sondierte gleich nach
Dienstantritt in diesem Sinne mit der Frage, wo er wohl speisen werde. Kühl erwiderte Theo, daß sich ein
Abonnement im Posthause empfehle. In einer gewissen Befangenheit und Sorge hielt Theo den Blick gesenkt, er konnte nicht
sehen, wie scharf und feindlich ihn Wurm beobachtete. Frostig klang das knappe Dankwort für die Empfehlung, begleitet
von einem nichts Gutes kündenden Blick. Dann gingen die Herren ihrer Wege, Theo unzufrieden mit sich und der Welt. Wurm
heuchelte immensen Geschäftseifer, schielte dabei aber nach Gelegenheit, Fräulein Olga zu treffen und sich der
jungen Dame angenehm zu machen. Darüber vergingen die nächsten Tage, und an einem Abend, da Wurm langsam das
Schloß verlassen wollte, erblickte sein Luchsauge die zierliche Gestalt des Schloßfräuleins im Park,
anscheinend in Schmerz aufgelöst auf einer Bank sitzend. Der Verwalter schritt der Brauerei zu, umkreiste den Park und
bog weit draußen in die Allee von Ulmen und Linden ein, die er langsam heraufpromenierte, um mählich Olga Tristner
näher zu kommen.
Tief in Gedanken versunken, merkte Olga die Annäherung des Mannes erst, als Wurm wenige Schritte vor ihr entfernt war
und überrascht den Hut grüßend abnahm, eine höfliche Entschuldigung ob der Störung vorbringend.
Unwillig, herb antwortete Olga, fast schien sie gewillt, den lästigen Menschen aus dem Park zu weisen.
»Verzeihung, gnädiges Fräulein, ich bin noch so fremd, daß ich mich auf dem Weg zur
›Post‹ hier im Park verirrte. Eine mir höchst peinliche Störung war gewiß nicht beabsichtigt,
ich war außerdem zu sehr mit Gedanken an den Baron Hodenberg beschäftigt, achtete daher nicht auf den
Weg.«
Überrascht horchte Olga auf und blickte gespannt auf den Verwalter. »Bitte, es hat nichts zu bedeuten, auch
wird es für mich Zeit, ins Haus zurückzugehen.«
»Gnädiges Fräulein sind sehr gütig, Ihre Verzeihung beglückt mich, ich danke vielmals und werde
bestrebt sein, mich Ihrer Gnade würdig zu zeigen. Der Fall Hodenberg . . .«
»Was wissen denn Sie von Hodenberg? Sie sind doch erst wenige Tage hier!«
»Das letztere ist allerdings richtig! Doch ich hatte schon bei meiner Vorstellungsvisite Gelegenheit, den Herrn
kennenzulernen, daher interessierte es mich, zu hören, daß der Herr verhaftet wurde.«
Hastig erhob sich Olga, und erregt fragte sie: »Glauben Sie an ein Vergehen Hodenbergs?«
»Nein, gnädiges Fräulein, doch ein echter Baron Hodenberg ist der Herr nicht!«
»Mit welchem Recht erheben Sie eine solche Anklage?«
»Verzeihung, gnädiges Fräulein, zu einer Anklage würde mir jede Berechtigung fehlen. Es ist lediglich
eine Vermutung, welche ich nicht auszusprechen gewagt haben würde, wenn ich hätte ahnen können, daß
gnädiges Fräulein geruhen, jenes Herrn Anwalt zu sein.«
»Ich will wissen, wodurch Sie auf die Vermutung kamen, daß sich der Baron einen fremden Namen, Titel und Rang
beigelegt habe.«
»Wenn der Baron behauptet, aus Hannover zu stammen, ist die Sache kaum richtig. Ein echter Hodenberg hätte es
auch nicht nötig, sich vor Moorbauern auf Heinrich den Löwen zu berufen und seine Baronie mit Sekt unter Bauern zu
begießen.«
Olga zuckte zusammen, wie wenn ein Peitschenhieb sie getroffen hätte. »Das soll der Baron getan
haben?«
»Ja, ich war dessen Zeuge. Möglich, daß der Herr Hannoveraner ist, er spricht wenigstens annähernd
hannoverschen Dialekt, ein Baron Hodenberg ist er aber nicht.«
»Er wird Sie zur Rechenschaft zu ziehen wissen!« rief erregt Olga aus.
»Bitte, ich stehe jeden Augenblick zur Verfügung, glaube
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