Das Schloss Im Moor
mich, Sie aus der Haft zu entlassen!«
»Das glaube ich Ihnen nicht!«
»Warum nicht?«
»Der Mann hat keine Veranlassung dazu, auch kann er nichts gewinnen, wenn ich hineingeritten werde.«
»Sie geben also die Möglichkeit zu, tiefer hineingeritten werden zu können!«
»Ach wo!«
»Das genügt für heute, und in vierzehn Tagen wissen wir genau, wer Sie sind! Der Schwindel mit dem Baron
Hodenberg ist zu Ende.«
»Das wollen wir abwarten!«
Doktor Thein ließ den Häftling in die Zelle bringen und begab sich nach Hause.
Am nächsten Morgen wurde Hodenberg trotz seines Protestes zwangsweise im Hofe des Gerichtsgebäudes fotografiert.
Sein Sträuben bestärkte den Richter im Verdacht, daß der Häftling große Sorge wegen der Einsendung
der Fotografie an die Hamburger Polizeidirektion haben müsse. Ein ihm selbst unerklärliches Verlangen empfand
Doktor Thein nach einer Fotografie des Verwalters Wurm, wenngleich der Richter nicht wußte, wem das Bild vorgelegt
werden sollte.
Bis der Fotograf die Kopien liefern konnte, nützte der Amtsrichter die Zeit zur Anfertigung einer
Personalbeschreibung Hodenbergs und eines Auszuges aus dem bisherigen Akt. Gewissenhaft wurde der Lebenswandel, soweit er
gerichtsbekannt war, geschildert, das unsinnige Geldausgeben, ein Verzeichnis der Hodenberg abgenommenen Wertpapiere und des
Inhalts seiner Koffer angefertigt und auch erwähnt, daß ein Verwalter Wurm nach Konfrontation mit dem angeblichen
Hodenberg dessen Heimat nach Hamburg verlege.
Nach wenigen Tagen konnte der Akt mit Hodenbergs Fotografie nach Hamburg, Hannover, Bremen und Osnabrück abgeschickt
werden.
Zwölftes Kapitel
Theo war rasch der Sorge vor einer Indiskretion Wurms über das galante Reiseabenteuer losgeworden, da der Verwalter
jene Spritzfahrt mit keiner Silbe erwähnte, sie totschwieg, und in vollem Maße taktvoll keinerlei Zudringlichkeit
an den damaligen Reisegenossen bekundete. Daher entschwand Theo die Erinnerung sehr schnell, und da ihm Wurm sehr viele
Arbeit als selbstverständlich abgenommen, hatte der junge Schloßherr ausnehmend viel freie Zeit, die er zu
Besuchen auf Zankstein verwendete. Bei der ersten Visite auf dem Moorgut spottete Fräulein Benedikte ob der spät
erwachten Wiedererinnerung an die vernachlässigte Nachbarin in der ihr eigenen Weise, Theo wurde gehänselt; doch
mählich fand Benedikte Gefallen am jungen Tristner, der sich wundernett bemuttern und päppeln ließ und nach
Wunsch des langen und breiten über die Ereignisse in Schloß Ried erzählte. Für Fräulein von
Zankstein war nahezu alles neu, und wenn Benedikte auch vom Tode Eugeniens Kenntnis hatte, wußte sie doch nicht,
daß das Gericht nachträglich Selbstmord feststellte. Es wurde daher lebhaft zwischen Theo und Benedikte
erörtert, was die Veranlassung zu dem rätselhaften Selbstmord gewesen sein könnte. Im Eifer beteuerte der
junge Schloßherr, daß er ganz gewiß nicht den Anlaß gegeben und Eugenie im Gegenteil sehr lieb
behandelt habe. Scharfsinnig reagierte Benedikte sofort auf dieses unvorsichtige halbe Geständnis, und was zur vollen
Beichte fehlte, war der Zanksteinerin zu erraten nicht schwer. Das Sommersprossenfräulein setzte denn auch Theo scharf
zu, trieb ihn immer mehr in die Enge, bis Tristner mit der Wahrheit herausrücken mußte. Einer Strafpredigt
über leichtsinnige heimliche Liebelei setzte Theo jedoch sein Ehrenwort entgegen, daß nichts Unrechtes vorgekommen
sei und Eugenie eine Heirat für unmöglich erklärt habe.
»Wäre auch ganz unmöglich gewesen!« betonte Benedikte.
»So? Weshalb denn? Ich brauche doch wahrlich nicht auf Mitgift zu rechnen!«
»Papperlapapp! Ein Tristner hat eine standesgemäße Frau zu wählen; das Andenken Eugeniens in Ehren,
aber eine Gesellschafterin ist nie und nimmer eine Persönlichkeit, die ein Tristner heiraten darf!«
Theo mußte ob der ernsten und doch heitern Miene Benediktens lachen und erwiderte: »Na, bemuttern Sie mich
weiter und suchen Sie mir eine passende Frau! Meine Selbständigkeit in Ihrer Nähe ist ja doch nicht weit her und
zerfließt wie Butter an der Sonne.«
»Keine Schmeichelei, junger Sünder! Es bleibt dabei: allzeit standesgemäß! Und im ganzen Moorbezirk,
von der Landesgrenze bis hinauf zum Sodom an der Isar, gibt es nur eine standesgemäße Partie für Theo
Tristner, und diese Partie ist Benedikte von Zankstein, verstanden! Ich mag aber nicht heiraten!«
»O weh! Erst süßen Zucker,
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