Das Schloss Im Moor
unerhörter Weise belogen worden. Gespannt blickte Thein auf das Pärchen, das zu streiten schien.
Als Theo gewahrte, daß er und Senta beobachtet wurden, brach er das Gespräch plötzlich ab und kam in den
Garten, während die junge Dame sich in das Haus verflüchtigte.
Im Sorgenstuhl sitzend, fragte Mama, wo denn Senta bleibe.
Errötend und unsicher erklärte Theo, daß Fräulein Senta sich wegen Migräne entschuldigen
lasse.
»Schade, hätte die Arme gern mit unserm Hausfreunde bekannt gemacht! So jung und schon Migräne, die Jugend
von heute ist doch recht wehleidig! Kommt der Verwalter zum Kaffee?«
Diese Frage beantwortete die eben an den Tisch tretende Olga verneinend, Herr Wurm sei im Kontor mit dringender Postarbeit
beschäftigt und habe soeben um Entschuldigung bitten lassen.
Thein fühlte eine gewisse Unsicherheit heraus, mit der Olga die Erklärung vorbrachte. Was mochte hier vorgehen?
Mit dieser Frage beschäftigt, eifrig kombinierend, ward auch der Richter wortkarg, es mußte die blinde Matrone
fast ausschließlich die Kosten der schleppenden Unterhaltung tragen.
Früher denn sonst verabschiedete sich Doktor Thein, dessen Versuch, mit Olga zu sprechen, mißglückte. Die
Geschwister blieben bis zur Abfahrt am Wagen, grüßten ein letztes Mal mehr höflich als herzlich, und
verflüchtigten sich sogleich, als der Wagen abfuhr.
Doppelstufen nehmend, eilte Theo in das zweite Stockwerk hinauf und prasselte, ohne anzuklopfen, in den Salon Sentas.
Erregt sprach der junge Schloßherr auf sie ein: »Fort ist er glücklich, aber gesehen hat er uns!«
»Na, das wird wohl kein Unglück sein!«
»Aber fatal im höchsten Maße bleibt es, denn Mama hat Wurms alberne Schilderung über seine Kusine
dem Richter erzählt, und nun ist der Schwindel aufgedeckt, die Bombe kann in den nächsten Tagen platzen! Und an
dieser dummen Geschichte sind Sie schuld! Warum blieben Sie nicht hier oben im Salon, bis der Richter wegfuhr?«
»Aber, Herzel! Ich bin doch keine Strafgefangene, und verstecken lasse ich mich nicht! Warum denn nicht gleich
stundenlang einsperren? Die Geschichte wird mir auf die Dauer langweilig! Bei Mama die demütige Magdalena spielen, immer
heucheln, das ist fade! Und Sie, mein Herr, entsprechen auch nicht meinen Erwartungen!«
»Ich? Wieso? Biete ich denn nicht alles auf, um Ihnen Vergnügen zu verschaffen?« rief Theo aus.
»Ach wo! Gehen Sie mir weg mit diesen sogenannten Amüsements! Das bissel Fischen, Spazierenfahren, immer in
Angst und Sorge vor dem Gesehenwerden, stets von Menschen abgesondert, das ist für mich kein Vergnügen! Ich will
gesehen werden, Staat machen, prunken mit Toiletten und meiner Wenigkeit! Bin ich Ihnen vielleicht nicht hübsch genug,
weil Sie vermeiden wollen, an meiner Seite gesehen zu werden? Oder sind Sie meiner bereits überdrüssig geworden,
Sie sittsamer Toggenburg? Die Mondscheinpromenaden habe ich satt wie das Angeschmachtetwerden! Sie haben mich ja doch kommen
lassen, um sich meiner Anwesenheit zu erfreuen! Seit meiner Ankunft haben Sie sich aber wie ein Eiszapfen verhalten!
Hätte ich Sie nicht gleich bei meiner Einquartierung mal herzhaft geküßt, meine Lippen würden wohl
niemals mit Ihrem Bart Bekanntschaft gemacht haben! Sie irren sich, wenn Sie glauben, ich wolle Nonne werden! Kurz und gut,
ich mag nicht mehr länger warten, bis Sie den Mut finden, mich zur Geliebten und Braut zu erküren! Das ist mein
Ultimatum! Entweder machen Sie mir heute noch den längsterwarteten Heiratsantrag oder ich werde packen und
abreisen!«
Kleinlaut bat Theo, ihn nicht durch eine Abreise unglücklich zu machen. Den Heiratsantrag wolle er ja gerne stellen,
es gäbe für ihn keinen sehnlicheren Wunsch als den Besitz der schönsten Dame der Welt, aber mit der
offiziellen Verlobung müsse gewartet werden.
Heftig erwiderte Senta: »Gut! Ich nehme Ihren Heiratsantrag an, will aber den Termin offizieller Verlobung und rasch
darauf folgender Vermählung genau festgesetzt wissen! Weshalb soll denn gewartet werden?«
»Ich muß doch erst vorsichtig die Mutter vorbereiten! Ebenso Olga!«
»I wo! Fräulein Olga wird sich wohl in Bälde mit Wurm verloben . . .«
»Was? Mit dem Verwalter? Nicht möglich!«
»Warum denn nicht? Herr von Wurm wird doch wohl eine feine Partie sein! Jedenfalls ein besserer Schwager für
Sie als der Gauner Hodenberg!«
»Ich bin perplex!« stammelte Theo.
»Dazu ist gar kein Anlaß vorhanden! Der Wandel in Olgas Sinn
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