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Das Schloss in Frankreich

Das Schloss in Frankreich

Titel: Das Schloss in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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mich. Das entspricht wohl mehr den Tatsachen. Was erlauben Sie sich eigentlich, mit mir zu sprechen, als hätte ich geheiligten Grund und Boden niedergetrampelt? Ich wusste ja nicht einmal, dass diese Frau existierte, bis ihr Brief bei mir eintraf, und ich war in meiner Unwissenheit sehr glücklich.«
    »Die Gräfin hätte Sie Ihrem Glück überlassen sollen, das wäre klüger gewesen.«
    »Gestatten Sie, Graf, das ist maßlos übertrieben. Aber wenigstens verstehen Sie, dass ich meinen Lebensweg auch ohne bretonische Beziehungen finden werde.« Sie wollte, dass er ging und tobte sich an den unschuldigen Kleidungsstücken aus.
    »Vielleicht wird sich die Auseinandersetzung in Grenzen halten, sofern unsere Bekanntschaft von kurzer Dauer ist.«
    »Sie wollen, dass ich dieses Haus verlasse, nicht wahr? Gut, je schneller, desto besser. Glauben Sie mir, Graf de Kergallen, ich übernachte lieber am Straßenrand, als Ihre gnädige Gastfreundschaft in Anspruch nehmen zu müssen. Hier«, sie warf ihm einen weiten, blumengemusterten Rock zu, »warum helfen Sie mir nicht beim Packen?«
    Er bückte sich, um den Rock aufzuheben, und legte ihn
auf einen weich gepolsterten Stuhl. »Ich werde Catherine rufen.« Sein ernster, höflicher Tonfall veranlasste Shirley, sich nach einem solideren Gegenstand umzusehen, den sie ihm entgegenschleudern konnte. »Sie brauchen offenbar Unterstützung.«
    »Wagen Sie ja nicht, mir jemanden zu schicken«, rief sie mit einem Blick zur Tür. Er sah sie prüfend an und fügte sich dem Befehl.
    »Wie Sie wünschen, Mademoiselle. Der Zustand Ihrer Garderobe geht nur Sie etwas an.«
    Seine unbeirrte Förmlichkeit reizte sie, ihn weiter herauszufordern. »Ich werde mich selbst um mein Gepäck kümmern, Cousin, sobald ich mich zur Abreise entschließe.« Absichtlich langsam wandte sie sich wieder um und zog ein Kleidungsstück aus dem Gepäck. »Vielleicht ändere ich meine Meinung und bleibe doch noch ein oder zwei Tage. Mir kam zu Ohren, dass die bretonische Landschaft äußerst reizvoll sein soll.«
    »Es ist Ihr gutes Recht, hier zu bleiben, Mademoiselle.« Der kaum merkliche ärgerliche Ton seiner Stimme entlockte Shirley ein siegesgewisses Lächeln. »Ich würde jedoch unter den gegebenen Umständen davon abraten.«
    »Ach, tatsächlich?« Anmutig bewegte sie die Schultern und sah ihn herausfordernd an. »Gerade das ist ein weiterer Anlass, hier zu bleiben.« Sie las von seinen dunklen erzürnten Augen ab, dass ihn ihre Worte und Taten beeindruckten. Sein Ausdruck blieb jedoch weiterhin gelassen und selbstbeherrscht, und sie fragte sich, wie er sich verhalten mochte, wenn er seinem Temperament einmal die Zügel schießen ließ.
    »Tun Sie, was Ihnen beliebt, Mademoiselle.« Überraschenderweise trat er auf sie zu und umfasste ihren Hals. Bei der Berührung spürte sie, dass sein Temperament doch nicht so tief unter der Oberfläche verborgen war, wie sie vermutet hatte. »Vielleicht wird Ihr Besuch aber unbequemer, als Sie es wünschen.«
    »Ich werde sehr gut mit Unbequemlichkeiten fertig.« Sie versuchte, sich ihm zu entziehen, doch er hielt sie mit kaum wahrnehmbarer Anstrengung fest.
    »Das ist schon möglich. Aber intelligente Menschen meiden im Allgemeinen Unbequemlichkeiten.« Christophes Höflichkeit war noch arroganter als sein Lächeln. Shirley richtete sich steif auf und bemühte sich erneut, ihn abzuschütteln. »Ich wollte damit ausdrücken, dass Sie über Intelligenz verfügen, Mademoiselle, wenn nicht gar über Weisheit.«
    Entschlossen, sich nicht von der langsam aufsteigenden Furcht überwältigen zu lassen, beherrschte Shirley ihre Stimme. »Meinen Entschluss, Sie zu verlassen oder hier zu bleiben, brauche ich nicht mit Ihnen zu diskutieren. Ich werde eine Nacht darüber schlafen und morgen früh die erforderlichen Vorbereitungen treffen. Natürlich können Sie mich inzwischen auch an eine Mauer in Ihrem Kerker ketten.«
    »Eine interessante Möglichkeit.« Er lächelte spöttisch und amüsiert zugleich und presste leicht ihre Finger zusammen, ehe er sie endlich losließ. »Ich werde noch darüber nachdenken.« Er ging zur Tür und verneigte sich kurz, als er den Knauf umdrehte. »Und treffen Sie morgen früh die notwendigen Entscheidungen.«
    Enttäuscht über ihre Niederlage, schleuderte Shirley einen Schuh gegen die sich hinter ihm schließende holzgetäfelte Tür.

3. K APITEL
    Shirley wachte aus tiefem Schlaf auf. Sie öffnete die Augen und sah sich verwundert in dem sonnigen

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