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Das Schloss in Frankreich

Das Schloss in Frankreich

Titel: Das Schloss in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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sich in seinem Zimmer wohl fühlt.«
    »Ja, Großmutter. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie Tony eingeladen haben, hier zu übernachten.«
    »Das ist nicht der Rede wert, chérie.« Die schmale Hand machte eine unbestimmte Bewegung. »Denken Sie daran, dass das Schloss nicht nur mein, sondern auch Ihr Heim ist.«
    »Danke, Großmutter«, antwortete Shirley ernsthaft und überließ der alten Dame den nächsten Zug.
    »Ein sehr höflicher junger Mann.«
    »Ja, Madame.«
    »Recht attraktiv«, sie machte eine kleine Pause, »im üblichen Sinn.«
    »Ja, Madame«, stimmte Shirley zu und überließ den Ball ihrer Großmutter, die ihn aufnahm, aber gleich wieder zurückwarf.
    »Ich habe an Männern immer das Ungewöhnliche geschätzt: Aussehen, Stärke und Vitalität.« Neckend zog sie die Lippen hoch: »Der Seeräuber hat es mir angetan, falls Sie wissen, was ich meine.«
    »Aber ja, Großmutter.« Shirley nickte und sah die Gräfin an.
    »Gut.« Die schmalen Schultern beugten sich etwas nach vorn. »Manche Frauen bevorzugen allerdings langweiligere Männer.«
    »Es sieht ganz so aus.«
    »Monsieur Rollins ist ein sehr intelligenter Mann mit guten Manieren, sehr vernünftig und ernst.«
    Und langweilig, dachte Shirley. Dann sagte sie verdrossen: »Zwei Mal täglich hilft er zierlichen alten Damen, die Straße zu überqueren.«
    »Das tut er sicherlich seinen Eltern zu Ehren«, entschied
die Gräfin. Es schien, als hätte sie Shirleys Spöttelei nicht
zur Kenntnis genommen, oder sie setzte sich einfach
darüber hinweg. »Ich bin überzeugt, dass er Christophe gefallen wird.«
    Shirley fühlte sich etwas unbehaglich. »Möglich.«
    »Aber ja.« Die Gräfin lächelte. »Christophe interessiert es bestimmt, einen so nahen Freund von Ihnen kennen zu lernen.« Die Betonung der engen Beziehung machte Shirley hellhörig, und ihr Unbehagen wuchs.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Christophe auf Tony besonders neugierig wäre, Großmutter.«
    »Meine Liebe, Christophe wird von Ihrem Monsieur Rollins fasziniert sein.«
    »Tony ist nicht mein Monsieur Rollins«, korrigierte Shirley, erhob sich vom Diwan und trat an den Schreibtisch ihrer Großmutter. »Und meines Erachtens haben sie nicht das Geringste gemein.«
    »Wirklich nicht?« Die Stimme der Gräfin klang so unschuldsvoll, dass Shirley mit einem amüsierten Lächeln kämpfte.
    »Sie gleichen einem ausgelassenen Mädchen, Großmutter. Was führen Sie im Schilde?«
    Die blauen Augen begegneten Shirleys glitzerndem Blick mit der Unschuld süßer Kindheit. »Meine Liebe, ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.« Ehe Shirley irgendetwas erwidern konnte, verbarg die Gräfin sich wieder hinter einer königlichen Gebärde. »Ich muss jetzt meine Korrespondenz erledigen. Heute Abend werden wir uns dann ja sehen.«
    Der Befehl war kristallklar, und Shirley verließ unbefriedigt den Raum. Ungebührlich laut schloss sie die Tür, das einzige Mittel gegen ihren aufsteigenden Temperamentsausbruch.
    Shirleys Gedanken kehrten wieder in die Gegenwart zurück. Ihre schlanke, amethystfarbene Gestalt hob sich im Spiegel ab. Zerstreut bändigte sie die blonden Locken und strich sich über die Stirn. Ich werde es auf die leichte Schulter nehmen, redete sie sich ein, als sie Perlenringe an ihren Ohren befestigte.
    Wenn ich mich nicht irre, würde meine aristokratische Großmutter heute Abend am liebsten ein Feuerwerk entzünden, doch damit hat sie bei mir keinen Erfolg.
    Sie klopfte an Tonys Zimmertür. »Ich bin es, Shirley. Wenn du fertig bist, gehe ich mit dir hinunter.« Tony bat sie, einzutreten. Sie öffnete die Tür und sah, wie der große blonde Mann sich gerade mit einem Manschettenknopf abmühte. »Hast du Schwierigkeiten?« Sie lächelte ihn strahlend an.
    »Das ist überhaupt nicht komisch«, sagte er finster. »Mit der linken Hand bringe ich einfach nichts zu Stande.«
    »Meinem Vater ging es genauso.« Mit plötzlicher Wärme erinnerte sie sich wieder daran, wie ungeschickt er gewesen war. Aber Tonys Zorn war herzbewegend. Es war erstaunlich, wie viele beleidigende Bezeichnungen er für ein Paar Manschettenknöpfe erfand. Shirley umfasste sein Handgelenk. »Lass mich das für dich tun.« Sie schob das kleine Ding durch die Knopflöcher der Manschette. »Ich möchte wissen, was du ohne mich getan hättest.«
    »Ich hätte den Abend mit einer Hand in der Tasche verbracht, wie es den gesellschaftlichen Regeln in Europa entspricht.«
    »Ach, Tony. Manchmal bist du ausgesprochen

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