Das Schloss in Frankreich
nicht.« Er schwieg eine Weile und betrachtete ihr Gesicht. »Du siehst großartig aus.« Er wollte sie erneut küssen, doch sie wich ihm aus.
»Tony, du hast mir nicht geantwortet.«
»Die Firma musste einige Geschäfte in Paris abwickeln. Deshalb flog ich dorthin, und als alles erledigt war, mietete ich einen Wagen, um dich hier zu besuchen.«
»Zwei Fliegen mit einer Klappe.« Sie war etwas enttäuscht. Es wäre zu schön gewesen, wenn er einmal nicht an seine Geschäfte gedacht und den Atlantik überquert hätte, nur um mich zu sehen, überlegte sie. Aber das war nicht Tonys Art. Sie betrachtete sein gut aussehendes offenes Gesicht. Tony ist viel zu methodisch, um Gefühlen nachzugeben. Und das ist ja auch das Problem zwischen uns.
Er küsste sie leicht auf die Augenbrauen. »Ich habe dich vermisst.«
»Tatsächlich?«
Etwas verblüfft schaute er sie an. »Aber natürlich, Shirley.« Er legte den Arm um ihre Schultern und ging mit ihr zu den Malgeräten. »Ich hoffe, dass du mit mir nach Hause kommen wirst.«
»Das ist noch nicht möglich, Tony. Ich habe hier Verpflichtungen. Ich muss noch bestimmte Dinge aufklären, ehe ich an eine Rückkehr denken kann.«
»Was für Dinge?« Er sah sie nachdenklich an.
»Ich kann dir das jetzt nicht erläutern, Tony«, wich sie ihm aus. Sie hatte nicht die Absicht, ihn ins Vertrauen zu ziehen. »Aber mir blieb kaum Zeit, meine Großmutter kennen zu lernen. Allzu viele Jahre müssen aufgeholt werden.«
»Du kannst doch nicht fünfundzwanzig Jahre hier bleiben, um die verlorene Zeit wettzumachen.« Seine Stimme klang bitter. »In Washington hast du Freunde zurückgelassen, ein Haus und eine Karriere.« Er packte sie bei den Schultern. »Du weißt, dass ich dich heiraten möchte, Shirley. Monatelang hast du mich hingehalten.«
»Tony, ich habe dir nie irgendwelche Versprechungen gemacht.«
»Das weiß ich nur zu gut.« Er ließ sie los und blickte zerstreut um sich. Ein Schuldgefühl bewog sie, sich deutlicher auszudrücken, damit er sie verstand.
»Hier habe ich einen Teil meines Lebens gefunden. Hier ist meine Mutter aufgewachsen, und hier lebt auch noch ihre Mutter.« Sie wandte sich um, blickte auf das Schloss und holte mit einer umfassenden Geste aus: »Sieh es dir doch an, Tony. Ist dir jemals etwas Vergleichbares begegnet?«
Er folgte ihren Augen und betrachtete, wiederum nachdenklich, das Steingemäuer. »Sehr eindrucksvoll«, erwiderte er ohne Begeisterung. »Darüber hinaus ist es überdimensional, unproportioniert und mit großer Wahrscheinlichkeit zugig.
Auf jeden Fall ziehe ich ein Backsteingebäude in Georgetown vor.«
Sie seufzte, dann lächelte sie ihren Gefährten liebevoll an. »Ja, du hast Recht. Du gehörst nicht hierher.«
»Du etwa?« Er sah sie forschend an.
»Ich weiß es nicht.« Ihr Blick schweifte über das spitz zulaufende Dach und dann hinunter über den Hofraum. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Einen Augenblick lang betrachtete er ihr Profil, und dann wechselte er bewusst den Gesprächsgegenstand. »Der alte Barkley hat mir einige Papiere für dich übergeben.« Damit meinte er den Anwalt, der sich um die Hinterlassenschaft ihrer Eltern kümmerte. Tony arbeitete als Juniorpartner für ihn. »Anstatt sie der Post anzuvertrauen, händige ich sie dir lieber selbst aus.«
»Papiere?«
»Ja, sehr vertrauliche Unterlagen. Er gab mir nicht den geringsten Hinweis darauf, was sie enthalten. Er sagte nur, dass sie so schnell wie möglich in deine Hände gelangen müssten.«
»Das hat Zeit bis später«, meinte sie abweisend. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte sie sich über die Maßen mit Schriftwechsel und Formalitäten auseinander setzen müssen. »Du solltest unbedingt hereinkommen und meine Großmutter begrüßen.«
Dem Schloss gewann Tony keinerlei Interesse ab. Umso mehr war er von der Gräfin beeindruckt. Shirley machte ihre Großmutter mit Tony bekannt, und sie bemerkte, dass seine Augen sich weit öffneten, als er die ausgestreckte Hand ergriff. Befriedigt stellte Shirley fest, dass sie blendend aussah. Sie geleitete Tony in den Salon, bot Erfrischungen an und fragte Tony auf charmante Weise bis in jede Einzelheit über seine Person aus. Shirley lehnte sich zurück und verfolgte das Verhör, ohne mit der Wimper zu zucken.
Sie durchschaut ihn, überlegte sie, als sie aus einer feinen Silberkanne Tee einschenkte. Die unerwartete Schalkhaftigkeit in den blauen Augen reizte sie, hell aufzulachen, doch sie nahm sich zusammen und
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