Das Schloss in Frankreich
witzig.«
Vor der geöffneten Tür hörte sie Schritte, und als sie sich umdrehte, bemerkte sie Christophe, der einen Augenblick lang stehen blieb und sie und Tony beobachtete, während sie noch mit dem Manschettenknopf beschäftigt war. Kaum merklich zog er die Augenbrauen hoch und ging weiter. Shirley errötete verwirrt.
»Wer war denn das?« fragte Tony neugierig. Sie beugte sich über sein Handgelenk, damit er ihre glühenden Wangen nicht sah.
»Graf de Kergallen«, antwortete sie betont gleichgültig.
»Etwa der Ehemann deiner Großmutter?« Seine Stimme klang ungläubig. Bei dieser Frage brach Shirley in schallendes Gelächter aus, und ihre Spannung ließ nach.
»Du bist wirklich ein Schatz, Tony.« Sie tätschelte sein Gelenk, als sie den widerspenstigen Manschettenknopf befestigt hatte, und sah ihn mit funkelnden Augen an. »Christophe ist der gegenwärtige Schlossherr und Enkel der Gräfin.«
»Oh.« Nachdenklich zog Tony die Augenbrauen zusammen. »Dann ist er also dein Cousin.«
»Nicht direkt.« Sie erläuterte die einigermaßen komplizierte Familiengeschichte und die daraus resultierende verwandtschaftliche Beziehung zwischen ihr und dem bretonischen Grafen.
»Daraus folgt, dass wir bei oberflächlicher Betrachtung Cousin und Cousine sind«, schloss sie, umfasste Tonys Arm und verließ mit ihm das Zimmer.
»Cousin und Cousine, die ineinander verliebt sind«, sagte Tony nachdenklich.
»Sei nicht albern«, protestierte sie allzu schnell, denn die Erinnerung an die festen, fordernden Lippen auf ihrem Mund brachte sie aus dem Gleichgewicht.
Sollte Tony ihren überstürzten Widerspruch und ihr Erröten bemerkt haben, ließ er sich jedenfalls nichts anmerken.
Shirley und Tony betraten Arm in Arm den Salon, und Christophes kurzer, aber bewundernder Blick machte sie noch verlegener. Sein Gesicht war glatt und ausdruckslos, und sie hatte auf einmal das dringende Bedürfnis, die Gedanken hinter seiner kühlen Fassade lesen zu können.
Shirley beobachtete, wie sein Blick sich dem Mann an ihrer Seite zuwandte, doch er blieb teilnahmslos und unpersönlich.
»Da sind Sie ja, Shirley und Monsieur Rollins.« Die Gräfin saß in einem hochlehnigen, mit üppigem Brokat bezogenen Sessel vor dem mächtigen Steinkamin und glich einer Monarchin, die ihre Untertanen empfängt.
Shirley fragte sich, ob sie diesen Platz absichtlich oder nur zufällig gewählt hatte.
»Christophe, ich möchte dir Shirleys Gast vorstellen: Monsieur Rollins aus Amerika.« Shirley stellte belustigt fest, dass die Gräfin Tony wie ihr persönliches Eigentum betrachtete. »Monsieur Rollins«, fuhr sie ohne Unterbrechung fort: »Ich möchte Sie mit Ihrem Gastgeber bekannt machen, dem Grafen de Kergallen.«
Feinsinnig betonte sie den Titel und unterstrich Christophes Rang als Schlossherr. Shirley blickte ihre Großmutter verständnisinnig an.
Die beiden Männer tauschten Höflichkeiten aus. Shirley beobachtete, wie sie sich gegenseitig abschätzten, zwei Rüden gleich, ehe sie übereinander herfielen.
Christophe reichte seiner Großmutter einen Aperitif. Dann fragte er Shirley und Tony nach ihren Wünschen. Shirley wollte einen Wermut trinken, und sie unterdrückte ein Lächeln, weil sie wusste, dass Tony Wodka-Martini bevorzugte oder gelegentlich einen Cognac.
Sie unterhielten sich ungezwungen. Manchmal flocht die Gräfin eine Bemerkung über Tonys Werdegang ein, den er am Nachmittag so ausführlich preisgegeben hatte.
»Es ist beruhigend, zu wissen, dass Shirley in Amerika solch ein fähiger Mann zur Seite steht«, lächelte sie gönnerhaft und ignorierte Shirleys finsteren Blick. »Sie sind schon seit längerem befreundet, nicht wahr?« Bei dem Wort »befreundet« zögerte sie kaum merklich, und Shirley schaute sie noch düsterer an.
»Ja.« Tony streichelte Shirleys Hand. »Vor etwa einem Jahr sind wir uns bei einer Abendgesellschaft begegnet. Erinnerst du dich noch daran, Liebling?«
»Ja, natürlich, das war bei den Carsons.« Ihr Blick hellte sich auf.
»Sie haben eine so lange Reise hinter sich, und das nur für einen kurzen Besuch.« Die Gräfin lächelte mild. »War das nicht sehr aufmerksam, Christophe?«
»Allerdings.« Er nickte und hob sein Glas.
Schlaubergerin, dachte Shirley respektlos. Die Gräfin wusste doch sehr gut, dass Tony aus Geschäftsgründen gekommen war. Was hatte sie vor?
»Zu schade, dass Sie nicht länger hier bleiben können, Monsieur Rollins. Shirley freut sich bestimmt über den Besuch aus
Weitere Kostenlose Bücher