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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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Orange, obwohl ihre Kehle vor Nervosität wie zugeschnürt war und sie kaum schlucken konnte. Vielleicht sollte sie lieber nichts sagen. Sie konnte so tun, als hätte das Gespräch der vergangenen Nacht nie stattgefunden, und keiner von ihnen würde Edward Vincent oder Mr. Flowers je wieder erwähnen. Sie war nur Louises Begleitung. Vielleicht war es fehl am Platz, sich in eine so private und schreckliche Angelegenheit einzumischen. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, vorzugeben, nichts zu wissen, nicht jetzt, wenn sie Louise als kleines Mädchen vor sich sah, das mit Popcorn in das Haus eines Nachbarn gelockt worden war, und an Edward Vincent dachte, der in der Sonntagsschule unterrichtete.
    Louise presste ihre Hände an ihre Schläfen, als sie durch die Küche ging. Sie hatte ein weites Baumwollkleid angezogen und anscheinend Wasser auf ihr Gesicht gespritzt und sich die Haare gekämmt. Aber sie bewegte sich, als wäre sie an Bord eines stampfenden Schiffes, und musste die Arme ausstrecken, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Cora hielt es für ausgeschlossen, dass jemand in ihrer Verfassung in weniger als einer Stunde ein beinhartes Training absolvieren konnte. Selbst wenn Louise es irgendwie packte, dann wahrscheinlich nicht sehr gut.
    »Vielleicht solltest du hierbleiben und dich ausruhen«, sagte sie. »Ich kann hingehen und Miss Ruth sagen, dass du krank bist. Vielleicht verpasst du nur Philadelphia.«
    Louise fiel auf den anderen Stuhl und starrte auf ihren Teller mit Toast und auf die geschälte Orange.
    »Es ist keine Lüge.« Cora bestrich ihren Toast mit Butter. »Du bist krank.«
    »Was werden Sie ihr sonst noch sagen?« Ihre Stimme war leise und rau.
    »Nichts.« Cora drückte zu stark mit dem Messer aufs Brot und riss ein Loch in die Toastscheibe. Sie schaute den Toast an und gab nach kurzem Überlegen das ganze Getue auf, indem sie ihr Messer klirrend auf den Teller fallen ließ. Louise zuckte zusammen und blickte auf.
    »Louise, ich habe kein Interesse daran, dir deine Chance bei Denishawn zu ruinieren. Wenn du nach Philadelphia fahren willst, dann fahr.« Cora strich die Kante der Wachstuchdecke glatt. »Ich möchte mit dir über das reden, was du mir heute Nacht erzählt hast.« Sie hoffte, dass man ihrem Gesicht all das Mitgefühl, das sie um den Schlaf gebracht hatte, und auch den Zorn ansah. Für den Fall, dass es nicht so war, räusperte sie sich. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Was passiert ist, tut mir schrecklich leid. In Cherryvale, meine ich.«
    Louise fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Sie wirkte verlegen, was Cora bei ihr nicht für möglich gehalten hätte. Aber der Ausdruck blieb nur ein paar Sekunden auf ihrem Gesicht, bevor der vertraute überlegene Blick zurückkehrte.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Louise.«
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Flowers? So hieß er doch, oder?«
    »O Gott.« Sie drückte ihr Haar an die Schläfen. »Ich hätte den Mund halten sollen.« Sie sprach nicht mit Cora, sondern mit sich selbst. »Das wird mir eine Lehre sein. Aus diesem Grund sollte ich nicht trinken.«
    »Jemand muss es erfahren, Louise. Vielleicht lockt er immer noch Mädchen, kleine Mädchen, in sein Haus.«
    »Nein.« Sie wedelte schwach mit einer Hand. »Ich habe nie gehört, dass andere Mädchen dorthin gegangen sind.«
    Natürlich nicht, dachte Cora. Auch die Mütter anderer Mädchen hätten ihren Töchtern befohlen, den Mund zu halten. Man konnte unmöglich wissen, was dort alles passiert war.
    »Und er ist sowieso von dort weggezogen. Noch vor uns.«
    »Weißt du, wohin?«
    »Keine Ahnung. Cora, ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob das wirklich sein Name war. Vielleicht erinnere ich mich falsch. Womöglich hieß er Feathers, nicht Flowers.« Sie lächelte. »Vielleicht bin ich entfedert worden.«
    »Das ist nicht komisch, Louise.«
    »Habe das nicht ich zu entscheiden?« Das Lächeln war verschwunden. »Lassen Sie es gut sein, ja? Es ist einfach passiert. Mit mir ist alles in Ordnung. Ich will nicht, dass Sie deshalb ein großes Theater veranstalten.«
    »Ich bin nicht darauf aus, dich in Verlegenheit zu bringen, falls du das denkst.«
    »Aber das würden Sie.« Ihr Blick war hart und unverwandt. »Also Schluss damit. Wirklich. Falls Sie jemals Eddie oder Cherryvale erwähnen, werde ich nicht wissen, wovon Sie reden. Und Mutter auch nicht, damit Sie es nur wissen. Sie werden sich bestenfalls blamieren.«
    Cora starrte auf ihren zerrissenen Toast.

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