Das Schmetterlingsmädchen - Roman
Myra, die sichtlich kein Interesse an Greta hatte, wandte nicht einmal den Kopf, sondern starrte weiter Cora an. Wenn Myra unbedingt unhöflich sein wollte, fand Cora, konnte sie selbst ruhig die Frage stellen, die ihr wirklich am Herzen lag.
»Wie geht es Louise?«
»Hm.« Myra lächelte nicht, aber die Krähenfüße um ihre Augen vertieften sich. »Ich hatte mir schon gedacht, dass Sie bald darauf kommen würden.«
Cora, die das Gefühl hatte, dass Myra sie jetzt mit unverhohlener Feindseligkeit anstarrte, stellte das Spielzeug wieder ins Regal.
»Ich wollte nicht indiskret sein«, sagte Cora. »Ich nehme an, dass es ihr gut geht. Ich habe letztes Jahr ihren neuesten Film gesehen.«
»Ach ja. Der Western. Das haben Sie sich angetan? Ich habe gehört, dass er schrecklich sein soll.«
Cora starrte auf die schwarzen Knöpfe an Myras Mantel. Wieder wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte sich den Film angeschaut, weil es seit Jahren der erste war, in dem Louise mitspielte. Er war unverkennbar mit kleinem Budget gedreht worden, mit billigen Trickaufnahmen und Männern, die von Pferden sprangen, um miteinander zu kämpfen. Da Howard gerade mit seiner Familie zu Besuch gewesen war, hatte Cora ihre beiden kleinen Enkelsöhne mitgenommen. Die Jungs waren begeistert von all den Reitszenen und Schießereien gewesen, aber Cora hatte den Film genauso dümmlich wie deprimierend gefunden, da Louise in ihrer unbedeutenden Rolle als Herzensdame gelangweilt und farblos wirkte. Sie trug ihr Haar jetzt anders – hinten fast bis auf die Schultern, den Pony aus der Stirn gekämmt. Cora konnte nicht erkennen, ob es nur die Frisur war, die sich geändert hatte. Louise sah immer noch jung aus, und sie war immer noch hübsch, wenn auch nicht mehr auf eine so auffallende Art. Und selbst wenn sie lächelte und vor der Kamera posierte, wirkten ihre Augen müde.
»Ich denke, sie muss mittlerweile nehmen, was sie kriegt.« Myra zog den Pelzkragen zusammen. »Aber meiner Meinung nach wäre es besser, wenn sie sich von Hollywood feuern lässt und es endlich hinter sich bringt, statt das Elend unnötig in die Länge zu ziehen.«
Coras Stimme wurde frostig. »Wie können Sie so etwas nur sagen, Myra?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich sage, was ich denke. Es stimmt. Sie hat alles hingeschmissen.«
Cora trat näher zu ihr und senkte die Stimme. »Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht. Ich weiß nur, dass Louise bescheuert ist. Und undankbar. Sie könnte Hollywoods ungekrönte Königin sein. Stattdessen ist sie auf dem besten Weg, alles zu verlieren. Und es ist ihre eigene Schuld. Sie hatte alle Chancen, aber sie war konsequent dumm und schwierig. Wussten Sie, dass man ihr die Hauptrolle in Public Enemy angeboten hat? Sie wollte die Rolle nicht annehmen, weil sie gerade etwas mit einem Kerl hatte, der nie vorhatte, sie zu heiraten. Jean Harlow war die zweite Wahl, aber sie war clever genug, die Chance zu ergreifen, die Louise weggeworfen hat.«
»Ist sie noch in Hollywood?«
»Jean Harlow? Ja.« Ihre Augen waren hell und gemein. »Sie ist ziemlich berühmt.«
»Nein, Myra. Ich meine Ihre Tochter.«
»Oh, da bin ich mir nicht sicher.« Myra schwenkte ihre Hand, als wollte sie die Frage beiseitefegen. »Wissen Sie, was ich dafür gegeben hätte, ihre Chancen zu haben?« Sie starrte Cora an, als wartete sie darauf, tatsächlich alles aufzulisten, was sie dafür getan hätte. »Ich habe alles in dieses Mädchen investiert, alles.« Sie schob den Ärmel ihres Mantels hoch und zeigte Cora einen dünnen, von bläulichen Adern durchzogenen Arm. »Sie haben mich buchstäblich ausgesaugt. Mir ist nichts geblieben. Nichts.«
»Aber geht es ihr gut, Myra? Geht es ihr gut? Das wollte ich wissen.«
Myra wirkte wieder verärgert. »Ja. Ja, es scheint ihr gut zu gehen.«
Dumme Person, dachte Cora. Sie war die Undankbare. Aber der erste Anflug von Zorn, den sie empfand, wurde rasch durch Mitleid verdrängt. Etwas anderes konnte man kaum empfinden angesichts dieser zarten, zerbrechlichen Frau, die so voller Bitterkeit und Wut war, weil es ihr vom Schicksal nicht vergönnt war, ihre Träume auszuleben, nicht einmal indirekt. Selbst jetzt, wo sie so krank war, konnte Cora sehen, wie schön sie einmal gewesen war, bestimmt genauso schön wie Louise. Und genauso begabt. Mit derselben Liebe für Bücher und Musik. Wer konnte wissen, was aus Myra geworden wäre, wenn sie nicht mit siebzehn geheiratet hätte, wenn sie nicht die unglückliche
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