Das schönste Wort der Welt
und eine weiße
Glühlampe wie in einer KZ -Baracke, dazu ein paar alte Spieler.
An der Wand hängt einer dieser tödlichen Apparate mit blauen Leuchtröhren, die
nachts die Insekten anlocken. Er hängt wegen der Mücken dort, doch jeden Abend
streckt er haufenweise Falter nieder. Die verkohlten Körper fallen in einen
Metallbehälter, der sie auffängt und der später geleert wird. Wir schlürfen
unsere Mandelmilch und hören die schrecklichen Geräusche, den Aufprall, die
brutzelnden Flügel. Das ist der Soundtrack unseres Sommers.
Früher hätte ich es
keine fünf Minuten an so einem Ort ausgehalten. Doch jetzt ist mir das egal,
sollen die Falter doch runterfallen und krepieren. Mit seinem Milchglas, von
dem er einen weißen Bart hat, sieht Diego aus wie ein Kind. Er zündet sich
einen Joint an, einer der alten Männer bemerkt den merkwürdigen Geruch und
dreht sich um. Diego hält den Joint hoch.
»Drogen«, sagt er.
Der Alte nickt, wirft
seine Bocciakugel und trifft.
Hier gehen einem die
Leute nicht auf den Wecker, sie kümmern sich um ihren eigenen Dreck. Es ist ein
Viertel der armen Schlucker, der illegalen Einwanderer, der unbekümmerten Randgruppen.
Wir sind eine Weile mit dem Motorrad herumgefahren, um es zu finden, einer an
den anderen geklammert in diesen Sommernächten. Es war kein Zufall. In jeder
Stadt gibt es so einen Ort, der an Krieg erinnert, man muss ihn nur finden.
Da sagt Diego: »Ich
will wieder zurück.«
Er sagt es, während
der Apparat brutzelt. Sehen diese blöden Nachtfalter denn nicht, welches Ende
sie da nehmen? Weshalb reißen sie sich darum, dieses Licht zu erreichen und zu
sterben? Doch was, zum Geier, interessiert mich das überhaupt? Ich bin
betrunken von der Mandelmilch, meine Beine auf dem Plastikstuhl sind leicht
gespreizt, meine Weichteile verschwitzt. Diego ist grau. Er hat sich noch nicht
einen Tag gesonnt, er trägt sein Jogging-T-Shirt in einem alten Weiß und hat
die Augen eines übel zugerichteten Vogels.
»Hast du die
Augentropfen genommen?«
»Ich will blind
werden.« Er lacht.
Ich weiß es ja schon
seit einer Weile, spüre es ja schon seit einer Weile. Er ist nicht wirklich
nach Hause gekommen. Das hier ist kein Frieden. Aska ist mit uns gereist, sie
hat uns an diesen Abenden vorgetäuschter Waffenruhe begleitet.
»Du willst zu ihr
zurück, stimmt’s?«
Er antwortet nicht,
lächelt, seine Lippen verziehen sich kaum. Ich kann mich nicht einmal aufregen.
Wie soll man sich auch über ein trauriges Kind aufregen?
Auf der Treppe zu
unserer Wohnung attackiere ich ihn mit Fußtritten, ich lasse ihn vorgehen und
stürze mich dann auf dieses Jungs-T-Shirt, schreie, ich hätte dieses Stück Foto
gesehen, hätte das A gesehen, das er aus der Käserinde geformt hat.
Er dreht sich um und
schützt sich mit den Ellbogen.
Ich rausche in die
Wohnung, werfe alles runter, ich schalte nicht einmal das Licht an, gehe
schnurstracks in die Dunkelkammer, räume alles aus, kippe die Flaschen mit all
den Flüssigkeiten aus und schleudere den Belichtungsmesser und die Objektive
auf den Boden.
Diego rührt sich
nicht, er sieht mir vom Sofa aus zu, träge wie ein Gecko.
Später sagt er:
»Verdammt, über den Daumen gepeilt hast du da fünf, sechs Millionen Lire
zerdeppert.«
Auf allen vieren
sammle ich die Scherben auf. Ich entschuldige mich, es tut mir sehr leid,
schließlich bin ich die Knausrige von uns beiden, ich bin der Geizkragen. Ihn
stört das alles nicht im Geringsten.
»Ein bisschen Wut war
ja auch nötig«, sagt er. Außerdem finde er es gar nicht so schlecht, zu sehen,
dass ich noch immer eifersüchtig sein kann.
Er ruft mich mit
seiner Stimme aus alten Zeiten: »Komm her …«
Er küsst mich lange
auf den Mund, leckt sich die Lippen und sagt, ich sei die Würze seines Lebens.
Als ich mir im Bad
die Schminke von den Augen wische, sehe ich mich an. Ich gefalle mir nicht. Nie
sehe ich über meinen dürftigen Tellerrand hinaus. Wie kann ich nur auf dieses
arme Mädchen eifersüchtig sein, die zusammen mit ihrer Stadt vor die Hunde
geht? Auf dieses Punk-Lämmchen, das vom Wolf verfolgt tanzt?
Später sehen wir
fern, an diesem Abend ist Gelächter angesagt, ein witziges Sommerprogramm mit
Amateurfilmen, Katzen, die Papageien ablecken, Bräute, die ihren Rock
verlieren, Kinder, die hundert Mal stolpern.
So raffen wir uns
auf. Wir verlassen die Ödnis der sommerlichen Stadt und fahren zu meinem Vater
ans Meer, um ihm Gesellschaft zu leisten und für einen
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