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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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Handtasche auf dem Rücksitz zu greifen. Nicht
aufzuhören zu bezahlen. Ich stellte mir vor, sie wäre tot, sie wäre auf einem
dieser Fotos, die Särge und mit Grabsteinen übersäte Felder zeigten.
Stattdessen ist diese Frau schön, trägt eine weiße Bluse und ist immer noch
jung, jung genug für Kinder.
    »Pietro ist ein
italienischer Junge, er ist mein Sohn. Ich werde jetzt aufstehen, ihn an die
Hand nehmen und gehen. Und wage es nicht, mich anzurühren, wage es ja nicht,
uns anzurühren.«
    Aska senkt den Kopf.
Ich betrachte ihren Nacken, ihr zusammengestecktes Haar und die einzelnen,
herabfallenden Strähnen. Da sehe ich etwas, einen Fleck. Ich will jetzt gehen,
so wie damals. Doch mein Blick bleibt an diesem Fleck hängen, es ist eine
Tätowierung. So etwas wie eine Blume, rötlich und misslungen.
    Da sehe ich Diegos
Foto vor mir, das Foto am Ende der Ausstellung, an der Wand über dem
Schirmständer. Die merkwürdige Rose an dieser merkwürdigen Mauer. Von der ich
nun weiß, dass sie keine Mauer ist.
    Aska bedeckt ihren
Nacken mit der Hand, sie schwankt ein wenig.
    Eine Biene kommt
durchs Fenster herein, fliegt von uns weg und kommt zurück. Wir müssten sie
verscheuchen, doch wir rühren uns nicht.
    Das Ganze war
folgendermaßen, und vielleicht sollte ich irgendwann den Mut aufbringen, es
meinem Sohn zu erzählen wie eine Geschichte.
    Die beiden sind dort,
in der Pension am Waldrand. Sie sind Hand in Hand nach oben gegangen. Aska
trägt ein schwarzes Glitzerkleid. Er sagte zu ihr Komm bloß nicht mit diesem ganzen Stachelkram
an, damit siehst du aus wie ein Kaktus , und sie gehorchte ihm. Sie zog ihr Konzertkleid an. Als sie die
Treppe hochgehen, betrachtet er den leichten Stoff, der sich an ihr Fleisch
schmiegt.
    Sie ist eine
einheimische Schönheit mit dichtem, kupferrotem Haar, grünen Augen, die wie
zwei Blätter wirken, breiten Wangenknochen und einer geraden, etwas stupsigen
Nase, sie ist wie diese absonderliche Stadt, ein bisschen Istanbul und ein
bisschen Bergdorf, genauso ist auch sie, sie sieht aus wie eine weiße Araberin.
Und hat das Profil mancher Ziegen aus Kaschmir.
    Diego weiß nicht, wie
das mit ihnen weitergehen soll.
    Er ist nervös und
überspielt es, ihm gefällt dieses melodramatische, provinzielle Mädchen, das
ein bisschen überkandidelt ist und das dringende Bedürfnis hat, irgendwer zu
sein, eine Janis Joplin. Sie erinnert ihn an ihn selbst, er kennt dieses
Bedürfnis, diese armseligen Schauer auf dem Leib … die auf dem Hehlermarkt
gekaufte Leica … auch er hat sich als Halbwüchsiger gefühlt wie ein Robert
Capa.
    Sie rührte ihn an, er
betrachtete dieses zugeschminkte Gesicht, die postmodernen Löcher in den
Strümpfen, die Sicherheitsnadeln in den Ohren. Er mochte keine Punks, doch sie
rührte ihn. Er begann sie zu betrachten, sah sie Kuchen verschlingen und sich
die Finger bis zum letzten Krümel ablecken, sah sie lachen. Sie unterhielten
sich, und sie ist nicht dumm, sie hat nur bunte Knete im Kopf, aber sie strahlt
etwas aus, hat eine ständig aufgeladene Batterie, hat etwas, was er nicht mehr
hat.
    Oben im Zimmer wirft
Aska einen Blick auf das Bett und lacht. Sie springt hinein, hebt die Arme und
atmet tief durch. Sie lässt sich von ihm bewundern, sie ist frech, dieses Spiel
gefällt ihr. Diego ist angespannter, sagt, er werde mal mit den Schuhen
anfangen, zieht sich die Stiefel aus und setzt sich auf den Rand des Bettes,
ohne sich auszustrecken. Er kann es immer noch nicht fassen, dass sie gekommen
ist, dass diese Geschichte weitergegangen ist.
    In den vergangenen
Tagen haben sie begonnen, sich anders anzuschauen, sie machten sich
gewissermaßen den Hof. Jetzt, in diesem Zimmer, in dem praktisch nur das Bett
steht, schämen sie sich ein wenig. Sie schlägt die Beine übereinander wie beim Yoga,
hat die Trompete dabei und stimmt My Funny Valentine an. Er hört zu und denkt Mädchen, was hast du nur für eine Kraft in
den Lungen? Er
sagt Aus dir
kann was werden ,
sie setzt die Trompete ab, leckt sich die Lippen und sagt Das wäre ich dann gern zusammen mit dir.
    Er lächelt, Hör auf damit, mach keine Witze .
    Ich
mache keine Witze, heute Nacht können wir so tun, als könnte aus uns zweien was
werden .
    Dieses kleine Mädchen
hat zu viel Kraft in den Lungen, sie ist zu frech, er sieht sie an: Bleib auf dem Teppich.
    Sie ist noch nie auf dem
Teppich gewesen, sie war schon immer rebellisch. Darum ist sie hier.
    Sie legen sich eng
nebeneinander und plaudern ein bisschen. Er

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