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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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heißt verdächtig«, sagte Joachim. Wir lachten, bis das Malzbier aus dem Glas hüpfte, das zwischen uns hin und her gereicht wurde, obwohl Joachim kein Malzbier mochte. Anneli zuliebe trank er ein paar Schlucke.
    Dank der Aufmerksamkeit unserer kleinen Cousine erfuhren wir, daß Gila-Monster zu Recht suspekt war. Die Echse war giftig. Ihr Biß, behauptete Anneli, verursache Schweißausbruch, Angst, Kopfschmerzen und Ohrensausen – »ähnlich wie bei mittlerer bis leichter Vergiftung durch den Biß einer Diamantklapperschlange«. »Ach, ach«, machten wir. »Ich schwöre es«, flüsterte Anneli. »In dem Buch trug die Echse genauso eine grüne Bluse wie Gila. Ich meine, die Haut von der Echse sah genauso aus.«
    Gila-Monster brachte Unordnung und Leid. Mein Vater unternahm Exkursionen mit Schönicke. Er wollte – ein Pferd kaufen. Sie klapperten die Ställe ab. Fast hätten sie ihnen auf dem Gutshof, der in der Nähe unserer früheren Wohnung lag, eine Kracke angedreht, aber mein Vater als Kavallerist merkte, daß sie dem Pferd irgendwas gegeben hatten, damit es Temperament zeigte, und die Haare um die Nüstern waren mit Schuhwichse gefärbt. Sie wollten nicht, daß mein Vater und Schönicke dem Gaul ins Maul kuckten, da hätten sie gesehen, daß die Zähne abgeschliffen waren. Schönicke erzählte, daß mein Vater gesagt hatte: »Den stellt zwischen die Blattpflanzen. Wenn man eine Oma neu anmalt, wird se nich jung.«
    Eichelkraut hörte von der Suchaktion. »Wozu willste ’n Ferd?« fragte er, das P nach Berliner Art unterdrückend.
    Mein Vater erklärte für seine Verhältnisse weitschweifig und oft nach der Küchentür schielend, hinter der Tante Deli rumorte, er habe daran gedacht, Anneli Reitunterricht zu erteilen. »Das hilft gesellschaftlich«, behauptete mein Vater. »Sie ist in dem richtigen Alter. Bald kann sie mit Fräulein Gila ausreiten.«
    »Fräulein« sagte er, der Schuft. Später verhörten wir Anneli, die nicht in der Gaststube gewesen war. »Reiten?« fragte sie empört. »Mich hat er nicht gefragt. Ich will gar nicht reiten. Wieso muß ich auf so ’ner Kracke sitzen, und denn flieg’ ich in den Dreck? Was hat der Olle vor? Ich bin kein Husar, und seine Kracke und die bekloppte Gila-Echse und all den Sums kann er sich an ’n Hut stecken.«
    Wir nahmen Anneli ins Verhör, ihrer Mutter wegen, und obes ihr selbst was ausmache, daß unser Vater der Gila-Echse nachstellte. Vielleicht behauptete sie deshalb, daß sie nicht reiten lernen wollte?
    »Mir ist schnurzegal, wer mit wem rumpeisert«, behauptete sie. »Hauptsache, sie lassen mich in Ruhe. Titten hab’ ich nu selber. Also?«
    Wir schauten hin, bemerkten zum ersten oder höchstens zum zweiten Mal, daß Anneli sich vorne gerundet hatte.
    »Was willste denn machen, mit deinen Titten?« fragte ich scheinheilig.
    Anneli, um die Antwort nicht verlegen, schrie uns ins Gesicht: »Ich werde sie in die Stadt schmuggeln, verdammt noch mal.«
    Ende der Malzbiersitzungen. Annelis Vertrauen war uns entzogen, wenigstens vorübergehend.
    Eichelkraut meinte, er habe ein Pferd für meinen Vater. Er wisse einen Traber, der wegen geringfügiger Beinverletzung keine Rennen mehr laufe. »Billig zu haben. Und noch jung. Dem könn’ Se det Jallopieren noch beibringen, Husar Pommrehnke, verstanden?«
    »Jawoll«, sagte mein Vater. Er und Schönicke und Eichelkraut zogen los. Am Abend stand in der Boxe vier, der letzten, die noch frei war, ein Pferd, das Gilas Wallach ähnelte, eine Stute mit dem komplizierten Namen Berenice. Am nächsten Tag kaufte mein Vater Reitstiefel und Breecheshosen. «Ich muß Berenice einreiten«, nuschelte er. »Dem Jaul den Jalopp beibringen.«
    »Berlinere nicht«, sagte Tante Deli. Sie war hochrot im Gesicht. Das kam diesmal nicht von der Hitze in der Küche.
    Mein Vater brachte Berenice den Galopp bei. Da es besser geht, wenn ein Pferd sich nach dem anderen richtet, wurde Berenice der Galopp an der Seite des Wallachs Ali eingetrichtert. Zwangsläufig ergab sich, daß Vater an der Seite von Gila-Monster in die Wälder ritt. Einmal hörten wir, wie Sternchen zu Werner sagte, daß sie bei einem bestimmten Forsthaus den Satteltrunk nähmen. Wenig später hörten wir, wie Werner zu Sternchen sagte, in dem Forsthaus könne man Zimmer mieten,und die Pferde stünden manchmal eine Stunde lang angebunden vor der Tür.
    Gila-Monster blühte auf. Wenn sie durch die Stallgasse schritt, wedelte sie mit den Hüften. Man mußte ihr aus dem Weg

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