Das Schützenhaus
wiederkommen, aber sicher vor Ende der Ferien, weil ich ja in dies doofe Lyzeum muß. Mama hat zwar gesagt, sie fährt überhaupt nicht mehr nach Berlin zurück, aber das glaube ich ihr nicht. Wir gehören ins Schützenhaus. Die Erwachsenen sollen nicht albern sein. Lebt Gila-Monster noch?
Herzliche Grüße und Küsse, alle lassen Grüße bestellen. Ich schließe, weil ich auf die Post will, bevor sie zumacht.
Eure Anneli
Sie kamen an einem Freitagabend, es war noch hell. Aus der Taxe, die Ede Kaiser steuerte, luden sie Taschen und Körbe aus. Oma hatte Liebesgaben geschickt, eingelegte Pilze, ein Huhn in Gelee, Blaubeermarmelade, selbstgesammelte Tees in Beuteln mit Zetteln dran, wogegen sie halfen, Krebsbutter, Augustäpfel, Johannisbeermarmelade. Mein Vater hatte sich versteckt, wahrscheinlich im Bett. Die beiden Lydias halfen, die Sachen ins Haus zu tragen. Zuletzt stieg Anneli aus, einen winzigen Hund an sich gepreßt. »Ihm war schlecht«, sagte sie, »er hat die Bahn vollgekotzt. Wie findet ihr ihn?«
Er hatte haargenau die Schokoladennase wie Zeppelin und dessen braunes Fell. Wir liebten ihn.
Die Erwachsenen hatten allerlei zu bereden. Anneli meinte, wir sollten den Hund taufen, hinten beim Stall, da gab es eine Wasserleitung. »Wie soll er heißen?« fragte Joachim, der sich geduldig in dies Kinderspiel verwickeln ließ. Anneli meinte, Zellepin zwei, aber da hatte ich eine Idee: »Warum nicht Doktor Eckener?« fragte ich. »Nach dem Kommandanten des Luftschiffs, das über Berlin gekreist ist.«
Der Vorschlag wurde akzeptiert. Wir machten dem Hund ein Kreuz auf die Stirn, unter dem Wasserhahn. Er blickte unwillig. Wie es in Annelis Brief gestanden hatte, mochte er Wasser wirklich nicht.
Anneli führte Dr. Eckener an Zeppelins Grab. Doch anscheinend roch Zeppelin nicht mehr nach Hund. Das Grab sagte Dr. Eckener nichts.
Schließlich war mein Vater herunter in die Gaststube gekommen. Alle taten erstaunt, als wir verkündeten, wie der Hund hieß. Bevor Widerspruch aufkam, wurden wir abgelenkt durch einen Lastwagen, der in den Hof rollte, auf den Eingang der Lichtspiele zu. Hinter dem Lastwagen hoppelte Sternchen Siegel in seinem Hanomag, die Mütze umgedreht. Er sprang aus dem Wagen, aus dem Lastwagen stiegen zwei Männer. Zusammen schlugen sie die Plane hoch. Sie entluden längliche Gegenstände und schleppten sie ins Kino. Allmählich versammelte sich eine Zuschauergruppe: beide Lydias, Annelis Mutter, RobinsonKrause, Werner. Auch Schönicke und der Polier Klobinski, der uns oft besuchte, gesellten sich dazu, schließlich unser Vater.
«Was bringt ihr da?« fragte mein Vater.
»Die neue Kinoorgel«, sagte Werner.
11
Im Wald, in der Nähe des Forsthauses, das meinem Vater und Gila-Monster als Absteige diente, lag, in einer Schonung versteckt, ein Weiher. Ein Teil der Oberfläche war mit Entengrütze bedeckt, aber da, wo der Pfad mündete, gab es eine Badestelle mit klarem, bräunlichem Wasser. Dort kam kaum jemand hin außer uns, die Bewohner vom Schützenhaus. Manchmal fuhr ich allein mit dem Rad zu dieser Stelle, An einer Seite standen Birken, die sich im klaren Teil des Tümpels spiegelten. Durch ihr helles Laub fiel die Sonne. Ein Teil des Weihers, jener, wo die Entengrütze schwamm, blieb stets im Schatten. Wenn man über die Grenze zwischen besonntem und nichtbesonntem Wasser schwamm, spürte man Kälte.
Einmal, als ich nach dem Mittagessen aufbrach, sagte Lydia Trampel, sie habe ihren freien Nachmittag, ob es mir recht sei, daß sie mitkomme.
Mir war es recht. Sie trug wieder eine ihrer Kattunpellen, die alles zeigten. Sie fuhr vor mir her, und der Saum ihres Kleides rutschte hoch. Wieder sah ich diese Kniekehlen, weiß mit den blauen Adern.
Am See angekommen, zog Lydia sich sofort aus. Sie hatte keinen Badeanzug mit. Sie ging ins Wasser, mit ihrem Wiegeschritt. Ich genierte mich ein bißchen, ihr zu folgen, zog mich schnell aus, überlegte, ob ich meine Badehose anziehen sollte. Doch dann fand ich das unfair.
Lydia blieb stehen, als ihr das Wasser bis an den Podex reichte. Sie streckte den Bauch vor, ich sah sie halb von der Seite, an ihren Hüften verliefen ebenso blaue Adern wie an ihren Kniekehlen. Lydia bückte sich und bespritzte ihren Oberkörper. Dann warf sie sich ins Wasser und schwamm hinaus. Schnell sprang ich hinterher. Wir balgten uns, beim Tauchen verschwanden wir in Schlammwolken. Schließlich gerieten wir in die Entengrütze. Wir wühlten uns da durch fast bis ans
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