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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Anneli, »zeigten zwei Dellen nebeneinander«.
    »Hat sich vielleicht nur auf die andere Seite gewälzt, der Oblomow-Vater. Oder Dr. Eckener der Hund war ins Bett gesprungen.«
    »Nein, nein«, rief Anneli, »sieh dir die beiden an, euren Vater und meine Mutter. Sein Husarengrinsen. Siegreich. Und sie wird rot. Hast du gesehen, welches Gesicht sie machte …«
    »Die Zwiebeln?« fragte ich.
    »Siehst du. Dir ist es auch aufgefallen. Sie sind verliebt, sie sind verliebt. Neu verliebt. Und Gila-Monster kriegt demnächst den endgültigen.«
    »Endgültigen was?«
    »Tritt in den Arsch«, sagte Anneli.
    Oma und Tante Deli waren in der Küche. Oma verdankten wir die Neuerung, daß in einer Küchenecke ein Tisch aufgestellt wurde mit ein paar Stühlen. Hier gluckte Lydia, mehr, als Tante Deli recht war, und lauschte den Radiotönen, die von der Gaststube hereindrangen. Lydia machte ein erstauntes Gesicht, wenn die Musik verstummte, der Nachrichtensprecher gleichmütig die Zahl der Toten bei einem Eisenbahnunglück in Hinterindien nannte. Ihre Züge verwandelten sich, wenn Fortschritte der Nazipartei angesagt wurden, sie dachte an Hannemann.
    Tante Deli scheuchte sie auf: »Lydia! Hast du nichts zu tun?«
    Lydia nahm den Wischkodder, ließ sich auf die Knie nieder und wischte über die Fliesen. Schwarze und weiße Schachbrettmuster.Tante Deli hatte auf diesen Fliesen bestanden, obwohl sie leicht schmutzten.
    Oma saß am Tisch, Tante Deli gegenüber, während Lydia die Reihen der Fliesen entlangkroch. Das Radio dudelte. Vor Oma stand ein Kaffeetopf, hoch und braun, Bunzlau, weiß ich jetzt. Dampf stieg auf, zog Oma in die Nase. Es gab von einer Kaffeefirma eine Reklame, eine alte Dame sog Kaffeedämpfe ein. So sah Oma aus.
    »Wirklich?« fragte Oma. »Ihr wollt …« Sie beugte sich vor: »Aus dem Pommrehnke werde ich nicht schlau. Ja, ja, er ist mein Sohn. Was fange ich damit an? Genügt das vielleicht? Nein, ich kenne ihn nicht.«
    Oma warf sich zurück, der Stuhl krachte. Lydia hielt einen Augenblick im Kriechgang inne. »Sieben Siegel«, sagte Oma. »Kaum war der Junge erwachsen, ging er zu den Husaren. Stattlich, aber fremd. Dann der Krieg. Hat er dir vom Krieg erzählt? Er hat. Mir nicht. Weiß der Schinder, ob das Männergeheimnisse sind? Wohl nicht, wenn er dir … Dann hat er die Frau geheiratet. War ein anständiges Mädchen. Daß sie so früh sterben mußte. Die beiden Jungs, he? Joachim und der kleine Hansi. Na. Nitschewo. Inzwischen sind das Männer, kaum zu glauben. Wahrscheinlich dämlich wie alle Pommrehnkes. Lassen wir das. Walter natürlich ausgenommen.«
    Großmutter beugte sich wieder vor, flüsterte: »Ihr wollt wirklich? Ach, ihr!«
    So was hörte man bei uns durch die offene Küchentür, untermalt von Erna Sack, während man die Fäden von einer Roulade um die Gabel wickelte. Anneli grinste, deutete mit ihrer Gabel zur Küche, rief ein paarmal »Siehste!«, was hätte »Hörste« heißen müssen. Da schaukelte Oma um die Ecke, ihr Millefleur-Kleid eine Hülse für Rundes. Darüber ihr Gesicht, rund ebenfalls. Ein runder Schädel, slawisch, sagten wir jetzt. Mittelscheitel, den sie Lauseallee nannte, angeklatschtes Haar, wenig Grau darin. Und runde Brillengläser.
    Oma krempelte einen Ärmel auf und zapfte sich ein Bier. »Eigentlich trinke ich nur Eierlikör«, sagte sie.
    Sie sagte das jedesmal, wenn sie das größte Bierglas aus dem Regal nahm und unter den Zapfhahn stellte. Großvater behauptete, in Lindow braue sie im Keller Kirschlikör, den sie heimlich trinke.
    »Ach, ihr.« Großmutter setzte sich zu uns. »Hol mir den Kaffeetopp.« Sie trank abwechselnd Bier und Kaffee. In der Küche schimpfte Tante Deli mit Lydia. »Kriechst du den ganzen Tag auf den Fliesen? Wer rupft die Hühner?«
    »Wir haben kaum mehr Hühner in Lindow«, sagte Großmutter. »Alle verspeist. Weißt du, wer sie frißt? Euer Onkel Rudolph. Nicht er alleine. Ein Kamerad kam später zurück aus der Fremdenlegion, lungenkrank auch er. Sie rauchen und husten, was das Zeug hält. Der andere ist ein Verwandter von euerm Schofför, ein gewisser Bruno. Dann sind sie elend, wollen Hühnersuppe. Was macht dein Großvater? Er geht in den Stall und greift ein Huhn und schlägt ihm den Kopf ab. Mann, sage ich, was hast du angestellt, die beste Henne. Die legt ja noch. Ein Wunder, daß sie nicht ein Ei verloren hat. Ein letztes, vor Schreck. Du Mörder, sage ich.
    Aber er – er lacht. Muß ich Süppchen kochen, dann kommen die

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