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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Grad.
    Mark war es egal, er wollte ohnehin nicht in Phnom Penh bleiben. Seine Ermittlung führte ihn anderswohin, nach Siem Reap, in die Nähe der Tempelanlagen von Angkor, auf die Spur von Linda Kreutz …Seine Ermittlung … Wo sollte er anfangen?
Er rechnete mit keiner weiteren Nachricht mehr. Er wusste, dass Elisabeth auf die Probe gestellt wurde und sich allein zurechtfinden musste. Dennoch steckte er seinen Computer einund ging ins Netz.
    Tatsächlich war eine Mail eingetroffen. Reverdi gab ihm noch einen weiteren Hinweis:
» Such das Fresko. «
KAPITEL 47
    Mark erwachte um neun Uhr morgens. Und fluchte, als ihm klar wurde, dass er den Flug nach Siem Reap knapp verpasst hatte. Er würde einen Tag in Phnom Penh verbringen und auf den Abendflug warten müssen. Was fing er an mit so viel Zeit? In der Nacht hatte er über Reverdis Anweisung gegrübelt: »Such das Fresko.« Die Schnitzeljagd ging also weiter. Und er hatte nicht den geringsten Zweifel, wo er suchen musste: in den Tempelanlagen von Angkor, zwischen Tausenden von Reliefs und Ornamenten. Das konnte heiter werden.
    Nach einem bescheidenen Frühstück beschloss er, die wenigen Stunden in der Hauptstadt zu nutzen und dafür auf seine bewährten Methoden zurückzugreifen, die Tricks des französischen Journalisten. Nach ein paar Telefonaten ließ er sich von einem »Mofa-Taxi« zur größten französischsprachigen Zeitung der Stadt fahren: dem Cambodge Soir.
    Die Redaktion war mitten im Stadtzentrum. Das graue, von Feuchtigkeit gezeichnete Gebäude mit einem blauweißen Schild, ähnlich den früheren Pariser Straßenschildern, stand in einer Straße aus festgetretenem Lehm.
    Nachdem er beim Portier um ein Gespräch mit dem Chefredakteur gebeten und seine Visitenkarte überreicht hatte, ging er in der Eingangshalle auf und ab: In dem düsteren Raum mit den kahlen Betonwänden stank es nach Benzin, weil er auch als Mofaparkplatz diente. Unter einer Treppe am anderen Ende entdeckte er einen Verschlag, hinter dessen einzigem Fenster sich Zeitungen stapelten. Mark trat näher; diese Rumpelkammer faszinierte ihn.
    Ein Archiv.
Er hatte im Lauf seiner Karriere schon viele Archive gesehen, aber dieses hier schlug in Sachen Unordnung und Verwahrlosung sämtliche Rekorde. Aus den Regalen, die vom Boden bis zur Decke reichten, quollen vergilbte Papierstapel: Zeitungen, so alt und brüchig wie abgestorbene Lianen. Die Mitte des Raums war das reinste Computergrab – ausrangierte Monitore und Rechner, das Ganze garniert mit zerbrochenen, umgekippten Sesseln und ölfleckigen Büchern.
    Merkwürdigerweise erinnerte ihn dieser düstere Raum an ein anderes Archiv, ein sizilianisches, das freilich viel ordentlicher gewesen war. Dort war er nach Sophies Tod gewesen, um nach Fotos vom Tatort zu suchen, denn sein Gedächtnis war ausgelöscht. Die Archivfotos aber hatten sich ihm unauslöschlich eingeprägt: der verkohlte Mund, der aufgeschlitzte Bauch, das Gedärm auf dem Boden. Seine Erinnerung spiegelte alles von Fotografien wider. Von dem realen Anblick war nichts, nicht das geringste Detail mehr vorhanden.
    »Sie sind wegen Reverdi hier?«Mark drehte sich um. In der Tür stand eine Gestalt, die er im Gegenlicht nur als Silhouette wahrnahm. Die Frage überraschte ihn: Verdächtig schnell stellte der Mann den Zusammenhang mit dem Fall von Papan her.
    »Ich bin anscheinend nicht der Erste?«, fragte er.
    »Und wohl auch nicht der Letzte, fürchte ich«, antwortete der andere im Näherkommen. »Die Verhaftung hat viel Staub aufgewirbelt.«Er streckte ihm die Hand entgegen und stellte sich vor: »Rouvères, Chefredakteur.«
Die Hand war von ähnlicher Beschaffenheit wie diePapierstapel ringsum. Mark hätte sich nicht träumen lassen, dass er je einem Typen wie diesem begegnen würde: Rouvères war das Inbild eines gestrandeten Kolonisten, wie aus einem Abenteuerroman des neunzehnten Jahrhunderts herübergerettet. Er hätte ein bankrotter Plantagenbesitzer, ein Kunstschmuggler, ein ehemaliger Indochina-Offizier sein können …Dabei war er gar nicht besonders alt: Vermutlich hatte ihn der jahrelange Alkoholkonsum dreimal so schnell altern lassen. Ein fünfzigjähriger Greis mit grauer Haut und schütterem Haar, dem der Hosenschlitz offen stand; auch das Hemd war falsch geknöpft. Ein hübsches Exemplar eines Auslandsfranzosen.
    Mark nannte seinen Namen und drückte sich so allgemein wie möglich aus: »Was wissen Sie denn darüber?«
»Sehr viel«, antwortete Rouvères mit

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