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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Reverdi hatte ihn gewarnt. Aber es musste doch eine Rinne geben, irgendeine Möglichkeit, an Land zu gehen … Es war Zeit für die vierte Nachricht. Mark spannte seinen Regenumhang über den Computer und öffnete das Dokument.
    Mein Liebes, du bist also bei der Insel angelangt. Jetzt wirst du dich im Inneren des Juwels zurechtfinden müssen. Erinnere dich: In Koh Surin hast du den Odem erkannt, der jede Kammer der Reinheit umgibt. Such dieses Atmen auch hier, und du wirst den Ort finden.
    Der Bambus. Es musste auch auf Koh Rawa-Ta einen. Bambuswald geben, den es zu finden galt. Damit wusste er aber noch nicht, wie er es anstellen sollte, an Land zu gehen. Er las weiter.
    Wenn du die Kammer entdeckt hast, musst du in ihren Schatten eintauchen. Dort erwartet dich etwas. Eine Kirche. Diese Kirche, mein Liebes, musst du finden und durchschreiten. Geh durch das Langschiff, die Vierung, die Apsis … bis du die Querhausarme erreichst, wo man den Duft von Weihrauch atmet.
Entnimm nun mit deiner Spritze eine Probe der Reinheit, die in diesen Höhen schwebt. Dies ist der Ort, der das Geheimnis birgt. Die Farbe der Wahrheit.
Die zugleich die Farbe der Lüge ist.
Jetzt, meine Geliebte, schließe ich die Augen. Und stelle mir dich im Angesicht des Geheimnisses vor. Sobald du von diesem dunklen Licht geblendet wirst, können wir uns vereinigen. Das Geheimnis wird uns mit Leib und Seele zu ein und derselben Gnade zusammenschmieden. Ich liebe dich.
Mark unter seinem Regenschutz unterdrückte einen Fluch. Er verstand kein Wort. Nicht die geringste Hilfestellung, wie er überhaupt einen Fuß auf diese Insel setzen sollte. Und dann diese Ausführungen über die »Kirche« mit ihrer »Vierung«, ihrem »Querhaus«, das war wirklich der Gipfel der Verdunkelung.
    Die Strömung hatte das Boot ein wenig näher zum Ufer getrieben, hundert Meter vielleicht. Mark starrte angestrengt hinüber, erkannte aber keine hellere Färbung im Laub: kein Bambus weit und breit. Gestikulierend machte er dem Fischer klar, dass er die Insel umrunden wollte. Der Bootsführer verzog das Gesicht und verwies ihn mit einer Geste der flachen Hand auf die mangelnde Wassertiefe. Mark zog weitere tausend Baht hervor. Der Fischer steckte sie ein und warf vor sich hin schimpfend den Motor wieder an.
    Das Boot brach mit dem Heck aus und vollführte eine Drehung, um die Insel von rechts zu umrunden. Der Fischer lotste sein Boot geschickt und präzise zwischen den Korallen hindurch, die stellenweise bis an die Oberfläche reichten. Mark konnte nirgends Bambusblätter entdecken. Nichts als dicht stehende Bäume, üppig belaubt und dunkel, zwischen denen sich hier und dort Hohlräume auftaten. Er musste an Böcklins berühmtes Bild Die Toteninsel denken: Dieselbe morbide Atmosphäre, dieselbe weitabgewandte Starre herrschte auch hier, im Herzen dieses Dschungels.
    Unterdessen schwand das Tageslicht zusehends. Mark schätzte die Zeit bis zur völligen Dunkelheit auf höchstens fünfzehn Minuten. Sie fuhren jetzt an einer steil aus dem Meer aufragenden Felswand entlang. Ein Strand tauchte auf; hier wuchsen Palmen, die sich so tief niederbeugten, dass sie fast waagrecht wirkten.
    Noch immer kein Bambus.
Die Nacht brach herein. Der Regen wurde stärker. Die Gesten des Fischers waren unmissverständlich: Sie mussten umkehren. Mark antwortete auf dieselbe Art: Weiterfahren! Der Thai schüttelte den Kopf und setzte, ohne eine Antwort abzuwarten, zum Wenden an.
    In derselben Sekunde drang Mark das charakteristische Rauschen ans Ohr. Ein leises, sehnsüchtiges Rascheln Tausender und Abertausender von Blättern. Der Wind trug den Ton vor sich her und nahm ihn gleich darauf wieder mit, wie eine akustische Fata Morgana. Mark aber war sicher: Dort auf der Insel, irgendwo entlang dem Riff, war ein Bambuswald.
    Als das Boot wendete und sich zwischen zwei mächtige Wellen schob, erspähte Mark rechts, knapp oberhalb des Strands, den hellgrünen Streifen. Zwischen den starren Palmen schienen die Bambusblätter eine körperlose Wolke zu bilden. Er stieß einen Schrei aus und deutete mit dem Finger darauf. Der Fischer aber schüttelte wieder nur den Kopf und hielt den eingeschlagenen Kurs.
    Mark tastete kurz nach der eingeschweißten Spritze in seiner Tasche, warf seinen Regenschutz ab und sprang kurzerhand ins Meer. Der Schock des Wassers nahm ihm für einen Moment den Atem. Er hatte das Gefühl, ins Herz des Unwetters einzudringen. Augenblicklich riss die Strömung ihn mit und saugte ihn

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