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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Vakuumbedingungen alles Wasser entzogen, wie man es mit Lebensmitteln tut, um sie lange haltbar zu machen, und so vor der Verwesung bewahrt. Mark konnte sich nicht vorstellen, wie er dabei zu Werke gegangen war – hier, mitten im Dschungel! –, war aber überzeugt, dass seine Taucherausrüstung eine entscheidende Rolle dabei gespielt hatte. Vor allem der Kompressor, der zur Herstellung eines Vakuums gedient hatte.
Es war Zeit für die Probeentnahme. Mark holte seine Spritze hervor. Er kniete wie zum Gebet vor der Frau nieder und rief sich die Worte des Mörders in Erinnerung:
    Geh durch das Langschiff, die Vierung, die Apsis … bis du die Querhausarme erreichst, wo man den Duft von Weihrauch atmet.
    Mark stellte sich den Grundriss einer Basilika vor und legte ihn über die Leiche: Das Langschiff war zweifellos der Rumpf. Aber die Apsis? Im Kirchenbau ist die Apsis der halbrunde Chorabschluss des Langhauses, wo in der Regel der Altar steht – das musste der Kopf sein. Mit der Vierung hingegen – im Kirchenraum der Teil, in dem sich Lang- und Querhaus durchdringen – konnte ja nur der Brustkorb gemeint sein, der die lebenswichtigen Organe birgt. Wirklich komplett verrückt. Und was meinte Reverdi mit den Querhausarmen? Sicher nicht die Arme der Leiche, sondern … Jäh kam ihm die Erleuchtung: die Lungenflügel.
    Die weitere Formulierung schien ihm seine Vermutung zu bestätigen:
… wo man den Duft von Weihrauch atmet …In diese Region musste er stechen. Um Spuren der Atmosphäre zu entnehmen, die das Opfer im Augenblick des Todes eingeatmet hatte. Den physischen Niederschlag einer flüchtigen Materie, Partikel einer während des Sterbens eingeatmeten Substanz.
    Das war die Apotheose.
    Mark beugte sich vor und betrachtete prüfend die Brust der Leiche. Leider besaß er keinerlei anatomische Kenntnisse. Wo befand sich die Lunge? War seine Nadel überhaupt lang genug, um die Lungenbläschen zu erreichen? Er dachte auch an die Rippen, die er unbedingt vermeiden musste.
    Während er durch die Plastikfolie den Rumpf betastete, wurde ihm ein weiterer Aspekt des Rituals klar: Reverdi dichtete seine Kammer nicht ab, um sie vor schädlichen Einflüssen zu schützen, er wollte vielmehr verhindern, dass der Duft, den er darin verströmt hatte, ins Freie entwich. Er wollte seine Opfer in Wohlgeruch – in Weihrauch – hüllen und so auf eine andere, höhere Daseinsform heben.
    Mark entschloss sich, zwischen der ersten und zweiten Rippe unterhalb des Schlüsselbeins einzustechen. Doch er zögerte noch: Sollte er die Hülle zuerst entfernen oder einfach durch die Folie stechen? Sollte er die Verschweißung der Spritze aufreißen, oder konnte er sie ebenfalls durchstechen? Er entschied sich für die zweite Lösung, um die sterilen Bedingungen so weit wie möglich zu erhalten.
    Er setzte die Kanüle an und stach zu. Der Körper setzte ihm nicht den geringsten Widerstand entgegen, sondern fühlte sich eher wie ein in Form gepresstes Pulver an. Während er den Kolben der Spritze aufzog, starrte er auf den Zylinder – aber es war nichts zu sehen, jedenfalls nichts, das irgendeine Farbe oder Viskosität aufwies.
    Als die Spritze ganz aufgezogen war, beugte er sich noch tiefer hinab, um die Nadel mit größtmöglicher Behutsamkeit herauszuziehen. Dabei stützte er sich mit dem Ellenbogen auf der linken Schulter der Leiche ab – und zu seinem Entsetzen brach der Arm einfach ab. In seiner panischen Ungeschicklichkeit zerriss er die Plastikfolie und merkte, dass der abgetrennte Arm, die Haut und die Knochen bei der leisesten Berührung praktisch zu Staub zerfielen, der sich zwischen den Folienfalten ausbreitete. Diese Leiche war derart ausgetrocknet, dass sie sich auflöste wie eine von Wind und Sonne gedörrte Sandburg.
    Die Vakuumverpackung war zerstört: Nun würde der Zersetzungsprozess beginnen, und innerhalb weniger Tage wäre von der Leiche nichts mehr übrig. Mark unterdrückte ein Stöhnen. Er steckte die Spritze in die Tasche, schob die Leiche in ihr Grab zurück und schaufelte rasch wieder den Sand darüber. Im Geist bat er die Unbekannte, deren pulverisierte Überreste bald den Krabben als Fraß dienen würden, um Verzeihung.
KAPITEL 63
    »Wir haben ein Problem.«Jimmy Wong-Fat stand in der Tür der Zelle, und Jacques Reverdi fragte sich, welchem Wunder es zu verdanken war, dass man seinen Anwalt bis hierher gelassen hatte. Seit der Entdeckung von Ramans Leiche waren sämtliche Gebäude abgeriegelt, kein Häftling

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