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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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spien ihren Betrieb auf den Gehsteig und weiter auf die Fahrbahn aus, alle paar Meter hatte eine Garküche ein Kohlenbecken, einen Gasherd, eine Kochplatte aufgestellt und trug ihren Teil zur allgemein drückenden Schwüle bei. Im Vorübergehen wehten ihn die Gerüche duftender Pfannkuchen, durchscheinender Teigwaren in fluoreszierenden Farben, die heißen Schwaden von Fleischspießen, die in der Pfanne brutzelten, und knusprig gebratenen Fischen mit weißem Fleisch an … Das Siriraj-Krankenhaus tauchte auf, an dem er jedoch vorbeiging: Sein endgültiges Ziel war ein medizinisches Analyselabor ein paar Häuser weiter in derselben Straße. Dort sollte sich Mark an einen Chemiker namens Kantamala wenden, einen engagierten Umweltaktivisten, der heimlich Proben analysierte – mit niederschmetternden Ergebnissen für die großen Industrieunternehmen.
Wie hatte Reverdi ihn wohl kennen gelernt? Egal – Mark hatte jetzt ganz andere Probleme: Er musste vor einem echten Experten eine halbwegs überzeugende Figur machen. So hatte er Namen und Fachausdrücke parat – und sogar die passenden Antworten für sein Anliegen.
Er drückte die getönte Glastür zum Labor auf und stand vor einer Empfangstheke, die so strahlend weiß wie ein Brocken Packeis war. Mark fragte nach Herrn Kantamala. Sekunden später kam ein hochgewachsener Thai in makellos weißem Kittel auf ihn zu: dunkles Gesicht, langer Pferdeschwanz und feindselige Miene. Er entspannte sich allerdings, als sich Mark auf einen britischen Umweltschützer berief, den Reverdi ihm genannt hatte.
Sie traten auf die Straße hinaus, und Kantamala zündete sich eine Zigarette an, eine Kron Tip – die lokale Marke. Auf Englisch fragte er in verschwörerischem Ton: »Was haben wir denn heute?«
»Einen Toten. Vergiftet.«
Kantamala runzelte die Stirn: »Eine … Leiche? Woher?« »Ich kann nichts sagen.«
Der Thai zog gierig an seiner Zigarette. In der von Schadstoffen gesättigten Luft kam das einem doppelten Selbstmord gleich.
»Da brauche ich schon ein paar genauere Angaben. Eine Leiche ist schließlich keine Kleinigkeit. Ich hin es nicht gewöhnt …«
»Tut mir leid, ich weiß selbst nichts. Ich glaube, der Tote stammt aus einer Mine in der Nähe von Ranong …«
Mark improvisierte, doch der Ortsname ließ Kantamala aufhorchen.
»Das wundert mich nicht! Dort arbeiten sie mit Quecksilber und …«
»Es pressiert leider ziemlich. Wir brauchen die Resultate, um ein Verfahren einleiten zu können.«
Der Chemiker nickte. Während er hektisch rauchte, warf er immer wieder misstrauische Blicke über die Schulter.
»Aber dieser Tote«, beharrte er. »Was genau ist passiert?«
»Das weiß ich eben nicht. Er hat ein Gas eingeatmet. Es ist nicht ganz klar.«
»Was für eine Probe hast du mitgebracht?«
Mark drückte dem Chemiker seine Spritze in die Hand.
»Lungenpunktion«, sagte er mit sachverständiger Miene.
»Scheiße.«
Mark sagte in resolutem Ton: »Wenn dir das zu schwierig ist, werd ich …«
Kantamala warf seine Kippe weg. »Komm in zwei Stunden wieder.«Mark setzte sich an einen Restauranttisch im Freien, von dem aus er die getönten Scheiben des Labors im Blick hatte. Dieser Beobachtungsposten war ihm ein Bedürfnis – als könnte Kantamala am Ende noch auf die Idee kommen, »sein« Beweisstück zu entsorgen.
    Er bestellte einen Tee: Für Kaffee war sein Magen nicht mehr gefestigt genug. In seinem Kopf herrschte Leere, er war erschöpft von zu vielem Nachdenken, zu vielen Ängsten und bestürzenden Entdeckungen. Wieder gingen ihm die Verse aus dem Hohen Lied durch den Kopf:
    » Wer ist sie, die da aus der Steppe heraufsteigt in Säulen von Rauch, umwölkt von Myrrhe und Weihrauch, von allen Wohlgerüchen der Händler? «Das war das letzte Detail, das ihm noch fehlte: die Identifizierung des Wohlgeruchs oder Weihrauchs, den Jacques Reverdi benutzt hatte. Dann würde ein Wunder geschehen, davon war er fest überzeugt. Dieses letzte noch fehlende Teilchen würde den Kreis schließen und dem Ganzen seinen Sinn geben.
    Das sagte er sich wie eine Beschwörungsformel wieder und wieder vor. Die Müdigkeit, die Hitze, die schlechte Luft machten ihn so benommen, dass er sich wie in Trance fühlte.
    Er erwachte aus seiner Betäubung und warf einen Blick auf die Uhr. Die zwei Stunden waren wie im Flug vergangen. Die Straße bot das gleiche Bild wie zuvor. Der Markt dünstete nach wie vor seine schwer erträglichen Gerüche aus, die Autos verbreiteten ihre giftigen Auspuffgase. Auf

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