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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Überschrift nahm die gesamte linke Spalte der Titelseite ein. Er las nur die ersten Zeilen des Artikels: Jimmy Wong-Fat hatte sich am vergangenen Wochenende auf dem väterlichen Anwesen in den Cameron Highlands im Schuppen erhängt.
Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Eine Flut von Bildern stürmte auf ihn ein. Die Schmetterlinge. Die Gewächshäuser. Das von Insekten übersäte, geifernde Gesicht von Wong-Fat senior: »Krepieren soll er!«
Moschusduft wehte ihn an. Renata beugte sich zu ihm. »Mit ein bisschen Glück«, raunte sie mit ihrer tiefen Stimme, »kommen wir genau zeitgleich mit seiner Hinrichtung heraus …«
Mark wich zurück und schüttelte seine Erstarrung ab.
Instinktiv erriet er, warum der Anwalt sich das Leben genommen hatte: Zweifellos hatte Reverdi seine Frustration an ihm ausgelassen und ihn gefeuert. Das perverse Vatersöhnchen, das auf eine »Initiation« gehofft hatte, bekam nur seinen Zorn ab. Und der Zorn hatte einen einzigen Grund: Elisabeths Schweigen.
Ihren Verrat.
Für diesen Selbstmord war Reverdi verantwortlich, kein Zweifel. Er war imstande, auch aus der Entfernung zu töten.
Über die Gefängnismauern hinweg. Wie weit reichte seine Macht – bis Paris?
Er schob die Zeitung über den Tisch zurück.
»Tut mir leid, Renata. Ich werde dieses Buch nicht schreiben.«
KAPITEL 69
    In der Woche darauf hatte er seine Meinung wieder geändert.
    Renata hatte ihn bestimmt zehnmal angerufen. Sie hatte ihr Vorschussangebot auf fünfzigtausend Euro erhöht – eine schwindelerregende Summe: Für seine früheren Bücher hatte Mark nie mehr als zehntausend bekommen. Der Betrag spiegelte die Hoffnungen wider, die seine Verlegerin in das Buch setzte.
    Doch der Profit hatte mit seiner Entscheidung nichts zu tun. Während dieser einen Woche hatte er sich intensiv mit der Berichterstattung über Reverdi beschäftigt, die seit Wong-Fats Selbstmord wieder aufgelebt war. Er hatte sämtliche Presseartikel gelesen. Er hatte die Korrespondenten und Journalisten kontaktiert, die er in Kuala Lumpur kannte – ohne mit einem Wort zu erwähnen, dass er selbst in Malaysia gewesen war.
Er hatte sogar die Einzelheiten über den Selbstmord von Jimmy Wong-Fat herausbekommen und eine »Nebenakte« über ihn angelegt. Am Sonntag, dem 8. Juni, war der Anwalt zu seinem Vater in die Cameron Highlands zurückgekehrt. Im Vorratslager hatte er sich aufgehängt: Mark sah den Raum vor sich, einen Verschlag voller Schmetterlinge, Käfer, Skorpione – wie aus einem Albtraum, die richtige Umgebung für einen schäbigen Tod. Jimmy hatte keine Nachricht hinterlassen – und niemand hatte die Unterlagen über seine Verteidigungsstrategie für Jacques Reverdi gefunden.
Im Zusammenhang damit hatte Mark erfahren, dass einige Tage zuvor der Sicherheitschef der Haftanstalt Kanara, ein gewisser Raman, ermordet worden war. Der malaiischen Presse zufolge war Reverdi der Hauptverdächtige, man hatte ihm aber nichts nachweisen können. War auch dies eine Affekthandlung gewesen, begangen aus Zorn? Nein: Zu dem Zeitpunkt hatte Jacques noch keinen Grund gehabt, an Elisabeth zu zweifeln. Mark erinnerte sich jedoch, dass Reverdi sie am 3. Juni gewarnt hatte, im Gefängnis werde »bald die Hölle los sein«. Er wusste also von dem geplanten Mord an Raman. Weil er selbst der Täter war?
Den Ausschlag für Marks Sinneswandel hatte allerdings etwas anderes gegeben: Jacques Reverdi ging geradezu mit Riesenschritten dem Tod entgegen. Einen neuen Verteidiger lehnte er ab, und wie die News Straits Times und der Star berichteten, sprach er mit niemandem mehr. Es gab keine Erklärung dafür. Unter seinen Mitgefangenen verkehrte er nur noch mit islamischen Gurus – Imamen und Predigern. Unterdessen war die Voruntersuchung abgeschlossen und hatte auf seine uneingeschränkte Schuld erkannt.
Mark hatte von dem Ungeheuer also nichts zu befürchten. Auch bestand keine Gefahr mehr, dass Reverdi auf die eine oder andere Weise hinter den Betrug mit dem Foto kam. In sein Schweigen vergraben, umgeben von muslimischen Fundamentalisten, war Reverdi jetzt – und für immer – von der Außenwelt abgeschnitten.
Nein, fand Mark, ihm drohte keine Gefahr. Jetzt sprach nichts mehr dagegen, sein Projekt umzusetzen.
Er machte sich an die Arbeit.
Sie nahm ihn den ganzen Sommer über in Anspruch. Zuerst in seinem Atelier. Dann in einem Haus in Südfrankreich, das ihm Renata zur Verfügung gestellt hatte.
Dank der spontanen Eindrücke, die er während seiner Reise

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