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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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ihrer rabenschwarzen Augen lag auch, wie die gekräuselte Oberfläche eines dunklen Tümpels, in der sich das Licht spiegelt, eine Sanftheit, eine unzugängliche Zärtlichkeit, geschützt hinter der Festung der hohen Wangenknochen. Den Eindruck eines steinernen Bollwerks verstärkten die schwarzen Locken, die – eine Idee der Visagistin oder des Fotografen – mit Gel fixiert und an die Schläfen geklebt waren und wie mit Tusche gemalt aussahen.
Das Porträt war sepiafarben mit leichtem Einschlag ins Goldbraun. Ein arabisierender, an Henna erinnernder Farbton, der wunderbar zu Khadidschas schmalem Gesicht und ihrem Outfit passte – einer weißen Jacke mit Stehkragen, Gürtel und eingestickten Arabesken, die an Kaschmirmotive erinnerten.
Sie hatte sowohl etwas von einer Muse aus den Hippie-Jahren als auch von einer in Männerkleidung aus dem Palast ihres Nabob geflohenen Begum. Am unteren Rand des Plakats stand in kalligrafischen Buchstaben neben einem Flakon, dessen Form an Aladins Wunderlampe denken ließ, der Name des Parfums, für das sie warb: Élégie.
Mark spürte, wie seine Knie unter ihm nachgaben.
Sie war überwältigend – und er nichts als ein Wurm vor ihr im Staub.
In einem Schwall erbrach er sein Frühstück, Rühreier, Croissants, Orangensaft. Noch war nicht abzusehen, welches Ausmaß die Katastrophe annehmen würde. Doch er ahnte, dass er eine Höllenmaschinerie in Gang gesetzt hatte, deren Räderwerk sich nicht mehr aufhalten ließ.
Schwankend und stolpernd, mit dem Ärmel sich den Mund abwischend, kehrte Mark zum Taxi zurück. Als er sich auf den Sitz fallen ließ, reichte ihm der Fahrer eine Packung Kleenex und murmelte missbilligend: »Sie sind mir einer …«
»Fahren Sie.«
»Na ja, sicher, was denn sonst!«
Mark nahm nichts mehr wahr, sein Gehirn war wie in Watte gepackt. Sein Schlund brannte, und das Herz höhlte Löcher in seine Brust.
»Haben Sie ein Handy?«
Der Fahrer grinste. »Das wird immer schöner! Was bilden Sie sich eigentlich ein, guter Mann? Sie haben schließlich keine Limousine gemietet!«
Mark warf ein paar Euroscheine auf den Beifahrersitz. »Leihen Sie mir bitte Ihr Handy!«
Ein kurzer Seitenblick auf das Geld stimmte den Fahrer um.
»Na gut. Regen Sie sich bloß wieder ab, Mann.«
Er kramte in seiner Jacke und reichte mit der linken Hand sein Telefon über die Schulter. Mark wählte Vincents Nummer – den Festnetzapparat, der neben seinem Bett stand. Nach achtmaligem Läuten hob der Koloss ab:
»Ja …?«
»Ich bin’s, Mark.«
»Mark! Von wo rufst du an? Ist dir klar, dass es in Paris superfrüh ist, ich schlafe! …«
»Ich bin in Paris.«
Ein Wühlen zwischen Laken, belegte Stimme: Der Bär wachte auf.
»Was ist denn los mit dir?«
»Ich bin gerade gelandet. Es geht um die Plakate.«
»Was für Plakate?«
»Die Kampagne mit Khadidscha.«
Vincents Stimme wurde klarer.
»Das hast du schon gesehen? Irre, was?« Der Stolz war ihm anzuhören. »Für den ersten Versuch ist es ein Meisterstreich, das kann ich dir sagen. Aber ich hab’s dir ja prophezeit – dieses Mädel ist die neue Laetitia Casta. Wenn du wüsstest, was für eine Zahl im Vertrag steht!«
»Was ich wissen will, ist der Umfang der Kampagne: national oder international?«
Vincent schwieg. »Wieso?«, fragte er schließlich.
»Sag schon.«
Der Koloss seufzte genervt.
»Deine Reise hat’s wohl nicht gebracht, was? National. Die Kampagne soll erst mal in Frankreich groß anlaufen. Dann wollen sie weitersehen. Es ist ein Konsortium von Parfumherstellern. Sie bringen das Paket und …« Er verstummte. »Was ich nicht kapiere: Wieso interessiert dich das? Du bist eben erst nach Paris zurückgekommen und …«
»Und in der Presse: Was ist da geplant?«
»Die klassischen Anzeigen. In Illustrierten, Frauenzeitschriften … Also wirklich, deine Fragen …«
»Erscheinen die Anzeigen auch in den internationalen Ausgaben dieser Blättchen?«
»Nein. Da ist der Vertrag explizit. Ausschließlich Frankreich und französischsprachige Länder.«
»Sicher?«
»Ich hab die Verträge doch selber aufgesetzt!« Vincent fing zu lachen an. »Ich bin jetzt Agent, Väterchen: Was sagst du dazu? Ich bin ein neuer Mensch. Mitten im Wandel. Und was hast du so erlebt?«
Mark legte wortlos auf. Das Taxi war inzwischen an der Porte de Bagnolet angekommen. Auch über der Ringautobahn hing Khadidscha, riesengroß und dreifach.
Mit ihrem Maokragen gab sie einen prächtigen Todesengel ab.
KAPITEL 68
    »Also, ich versteh Sie nicht.«
Marks

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